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taz gegen Borttscheller, 2. RundeBorttscheller unter dem Strich

■ Justitiar des Innensenators liefert Berufungsantrag ohne Begründung

Die Kanzlei Strahmann & Kollegen, der Bremens Innensenator Ralf Borttscheller bis zu seinem Wechsel ins Amt angehörte, hat den prominenten Namen, mit dem sie sich zwei Jahre lang geschmückt hatte, nicht nur von ihrem Briefpapier gestrichen, sondern auch am Türschild der Kanzlei herabgesetzt: Nahm Borttscheller bisher den zweiten Platz im Namen der angesehenen Kanzlei ein, ist er nun nach ganz unten und sogar unter einen Strich gedrückt worden. In Bremer Anwaltskreisen ist man davon überzeugt, daß sich darin noch recht höflich ausdrückt, wie tief der Name Borttscheller in der Kanzlei gesunken ist.

Zuletzt hatte Bortscheller seiner früheren Kanzlei den unrühmlichen Auftrag zugeschanzt, den Innensenator in einer aussichtslosen Pressesache gegen die taz zu vertreten: Frau Ahrens-Kulenkampff rang sichtlich verzweifelt vor dem Verwaltungsgericht nach guten Gründen für den Ausschluß eines taz-Vertreters von einem Hintergrundgespräch. Das Gericht gab der taz recht (vgl. taz 23.7.97).

Einen Monat hatte der Innensenator Zeit, die früher vollmundig angekündigte Begründung für eine Berufung zu formulieren. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ging jetzt beim Verwaltungsgericht ein – allerdings wird Borttschellers frühere Kanzlei nicht mehr daran verdienen, der Innensenator läßt nun seine Rechtsabteilung für sich arbeiten. Und die formulierte den Antrag auf Berufung – ohne Begründung. Begründung: Der Justitiar sei bis September in Urlaub.

Der Vorgang gibt Anlaß zu vielfältigen Spekulationen. Warum hat der Justitiar die Begründung nicht in den drei Wochen vor Beginn seines Urlaubs formuliert? Hatte Borttscheller erst wieder seine frühere Kanzlei mit dem Auftrag bedienen wollen und dann kurzfristig seinen Justitiar vor dessen Urlaubsbeginn fragen müssen?

Als guter Jurist mußte der Innensenator wissen, daß der Urlaub seines Justitiars nicht die Verwaltungsgerichtsordnung § 124 bricht, nach der eine Berufung nur „unter Darlegung der Gründe innerhalb eines Monats“zu beantragen ist. Bliebe also die Interpretation, daß der Innensenator es geradezu darauf anlegt, daß die Berufung wegen eines Formfehlers als „unbegründet“zurückgewiesen wird, um den Streit gegen die Pressefreiheit nicht auch noch vor dem Oberverwaltungsgericht zu verlieren. K.W.

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