Nachgefragt: Waigel gescheitert?
■ Kröning über den Bundesfinanzminister
Der Bundesfinanzminister Waigel hat keine Lust mehr, er hatte nie Lust, bekannte er. Wir fragten den früheren Bremer Finanzsenator Volker Kröning, der heute für die SPD im Bundestag und im Finanzausschuß sitzt, was er davon hält.
taz: Sie haben einmal gesagt, als Sie noch Finanzsenator in Bremen waren, das sei der zweitschönste Arbeitsplatz im Land. Können Sie nachvollziehen, wie man als Finanzminister sagen kann, der Job sei eher eine Pflicht, und neun Jahre „sind genug“?
Volker Kröning: Natürlich. Ich bin auch freiwillig aus dem Amt geschieden, habe den Job auch als mörderisch empfunden, und in Bremen kann man zwar nicht Außenminister werden, aber auch in Bremen gibt es eine Nummer eins, und das sind die beiden Positionen, an denen Theo Waigel noch interessiert wäre. (grient) Nein, Spaß beseite. Der kapitale Bock, den er geschossen hat, besteht darin, daß er das angekündigt hat, ohne diese Alternative in der Hand zu haben.
Das wäre ein zweites Thema. Aber die Bewertung der Rolle des Finanzministers in einer Situation, wo die europäische Währungsunion vor der Tür steht, können Sie das nachvollziehen?
Der Unterschied zwischen dem Kleinsten und dem Größten, zwischen mir und ihm, bestand halt darin, daß ich die Weichen für die Sanierung Bremens gestellt habe, und er verkündet sein Amtsende, bevor er den letzten Stein in sein Werk eingesetzt hat.
Ist das Scheitern? Angst vorm Scheitern?
Ich habe Waigels kämpferische Fähigkeiten und sein Stehvermögen oft genug beobachtet. Allerdings beobachte ich auch andere Seiten an ihm. Er hat von Anfang an einen Fehler gemacht, als er Bundesfinanzminister wurde: Er ist immer optimistisch gewesen und hat sich davon in seinem Handeln leiten lassen. Daher seine geschönten Zahlen. Und mit der Betonung der 3 Prozent in Bezug auf die Währungsunion hat er immer mehr Angst als Zuversicht verbreitet.
Also doch Angst vor dem Scheitern?
Ich bin überzeugt davon, daß Europa nicht scheitert. Man muß es nur substantiell genug angehen, man kann es nicht auf eine monetäre Veranstaltung reduzieren.
Schadet es der Währungsunion, wenn der Finanzinister seinen Rückzug ankündigt in einer Lage, in der sich von Schröder bis Biedenkopf eine Phalanx der Kritiker bildet?
Natürlich. Waigel ist ein hochintegrer und ein hochsympathischer Mann. Er unterscheidet sich deshalb wohltuend von der politischen Klasse, mit der man in Bonn Bekanntschaft schließt. Ich bedaure deshalb die Tatsache, daß er das verkündet hat. Ich denke, daß Waigel sein Gewicht selbstverschuldet gemindert hat. Ich habe ganz früh in meiner politischen Laufbahn die Erfahrung gemacht, daß, wer das Interesse an einem Wechsel äußert, nur noch eine lame dag ist, eine lahme Ente.
Es gibt Spekulationen, er wolle Außenminister werden.
Das stimmt. Er hat mir das schon 1992 erzählt. Int.: K.W.
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