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Die Ifa wird zur Playstation

■ Auf der Internationalen Funkausstellung wird der Kampf um die Jugend geführt: von der Quix-Lounge bis zu Sony-Play-Station und Nintendo-Center werden die Kids umworben

Ein bißchen zweckentfremdet wirkt er schon, der große Junge mit dem blonden Stoppelschnitt und der tarnfarbenen Uniform. Schließlich hat er einen Putzlappen in der Hand und wienert einen Schaukasten. Und das alles im Mittelfoyer des ICC, umgeben von sechs uniformierten Kollegen, die auch alle ganz fleißig schrubben. Heute um zehn Uhr wird er für zehn Tage Haltung annehmen und für die Luftwaffe um Nachwuchs werben – mit bunten Infotafeln und einem nachgebauten Cockpit. Für den Flugsimulator hat es wohl nicht gereicht.

Mit der diesjährigen Eröffnung der Internationalen Funkausstellung werden Jugendliche erstmals nicht nur von einzelnen Firmen ihre Nischen zum Zappen, Surfen, Funken und Staunen bekommen, sondern ein eigenes Programm: Die „World of Performing Arts and Sports“ – und da darf natürlich weder die Bundeswehr noch die Bundesanstalt für Arbeit fehlen.

Die Fürther Agentur AMC – die nicht ganz zufällig in engem Kontakt mit Grundig steht – hat das Programm im ICC auf die Beine gestellt: Hier bietet das TV- Jugendstudio tägliche Auftritte der „interessantesten Newcomer- Bands aus Berlin und Brandenburg“; ansonsten kann geskatet, geklettert und Kick-Tennis gespielt werden. Auch Mountain- und BMX-Räder stehen schon da.

Studenten der Paul-McCartney- Universität treten auf, Jan Ullrich und Henri Maske schauen vorbei, Hertha BSC und die Eisbären haben sich angesagt, Rennfahrerin Tamara Vidali gibt Autogramme. Und natürlich fehlen auch Blümchen sowie Volker Rühe nicht. Ganz schön viel Aufwand. „Man muß seine Zielgruppe möglichst früh bekommen und versuchen, sie das ganze Leben zu halten“, sagt Wolfgang Fritz, AMC-Organisator, der auch kein Hehl daraus macht, daß AMC sich zum Ziel gesetzt hat, der als „verstaubt geltenden Firma Grundig die Jugend nahezubringen“.

Schließlich sei in der Unterhaltungselektronik nicht nur die Markentreue wichtig – Jugendliche konsumieren einfach mehr. Welcher Erwachsene kauft schon mit derselben Begeisterung wie 15jährige Walk- und Discman, Gameboys, Computerspiele? Dazu kommt, daß Jugendliche sich ihre Ausrüstung mindestens „doppelt“ kaufen: Zuerst den mühsam zusammengesparten Mini-Turm oder Ghettoblaster und ein paar Jahre später die erste „richtige“ Stereoanlage. „Ab 40“, weiß Fritz, „kommt da meist nicht mehr viel.“

Von Sony lernen heißt in diesem Geschäft siegen lernen: „Beispielhaft“, so Fritz, habe der Konzern es in ein paar Jahren geschafft, sein Image komplett zu ändern und auf Jugendliche auszurichten. Dazu gehöre nicht nur die Werbung, sondern vor allem moderne, interessante Designs.

Und das hat sich gelohnt: Laut einschlägiger Umfragen steht Sony in Sachen Unterhaltungselektronik bei Jugendlichen ganz oben auf der Rangliste. In diesem Jahr lockt der japanische Anbieter die spielwütigen Kids in Halle 18 mit einer gigantischen „Play Station“. Ein Spielsalon auf der IFA. Ab heute um fünf nach zehn wird hier die Hölle los sein.

Ein paar Hallen weiter hängen Hunderte Gameboys noch etwas verloren an Strippen von der Decke. Die Betreuer können sich über die Ruhe freuen – der Nintendo-Trakt mußte in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Überfüllung geschlossen werden.

Quix („Kauf Bier! Bis bald!“) hat schon die ganze Stadt zugepflastert und lädt in „Quix-Rhythm-“ und „Quix-Clubbing“-Lounges. In der „Quix-Mellow-Lounge“ hat sich MTV niedergelassen und lockt mit „Meets&Greets“ und zahlreichen „Teenie-Größen“. „Fritz“ sucht die schönste Homepage und lockt mit unterhaltungselektronischen Gewinnen, Viva wirbt mit einer täglichen „Interaktiv-Show“ mit Dancefloor-Bands und einem Starbetreuer, der aus dem Publikum ausgewählt wird.

Und sonst: Gewinne, Gewinne, Gewinne. Gerüchteweise sollen bei der „World of Performing Arts and Sports“ sogar ein paar hundert Ausbildungsplätze verlost werden. Und wenn nicht – da ist ja noch die Bundeswehr. Jeannette Goddar

Die Ifa ist bis zum 7. September täglich von zehn bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt für Schüler und Studenten 14, sonst 22 Mark.

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