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Nordsee vor Bremerhaven geschützt

■ Neue Messungen beweisen: Hafen dramatisch mit Umweltgift Tributylzinn (TBT) verseucht / Folge: Überhaupt kein Hafenschlamm darf mehr ins Wattenmeer gekippt werden

Aus Bremerhaven darf zur Zeit kein Hafenschlick mehr im Wattenmeer verklappt werden. Herma Heyken, Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems nannte als Grund für den Verklappungsstopp neue Meßdaten aus Bremerhaven, die eine bislang nicht für möglich gehaltene Verseuchung des gesamten Hafenschlicks mit Tributylzinn (TBT) ausweisen. Teilweise wurden Werte gemessen, die die bisherigen Höchstwerte um das Zehnfache übertreffen. Bislang waren nur der Werft- und Handelshafen vom Baggerverbot betroffen.

TBT macht Meerestiere unfruchtbar, wirkt geschlechtsumwandelnd und deformiert Muscheln. „Wir haben ein Problem“, mußte der Leiter des Bremerhavener Hafenamtes, Hinrich Gravert, jetzt gegenüber der taz zugeben. In einer Krisensitzung gestern in Bremerhaven sollte der Schaden für den hafenbetrieb begrenzt werden. Die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Gebaggert werden muß im Hafengebiet, sonst bleiben die Schiffe irgendwann im Schlamm stecken. An der Krisensitzung nahmen auch Vertreter der Bezirksregierungen Lüneburg und Weser-Ems teil. Sie hatten die Verklappung des Hafenschlicks bis Ende 1997 genehmigt. „Wenn die Werte von TBT so hoch bleiben, was zu vermuten ist, kann der Schlamm auch in Zukunft nicht mehr ins Wattenmeer eingebracht werden“, stellt Herma Heyken, Sprecherin des Regierungsbezirkes Weser-Ems, fest.

Seit langem kritisieren Wissenschaftler und Ökologen das Einbringen von Hafenschlamm in das Wattenmeer. Wolfgang Kalbfuß vom Bayrischen Landesamt für Wasserwirtschaft gilt als einer der profiliertesten deutschen Forscher über TBT. Seine Arbeitsgruppe hat die letzte, umfassende Studie über TBT in Nord- und Ostsee vorgelegt. „Die Nordsee ist im Gegensatz zur Ostsee durchgehend mit TBT belastet. Ein Einbringen von zusätzlichem TBT ist äußerst kritisch zu sehen“, meint der Wissenschaftler.

Dagegen scheint sich das Bremerhavener Hafenamt immer noch an den Strohhalm zu klammern, doch noch Schlamm in die Nordsee einleiten zu dürfen. Klare Konzepte für eine alternative Entsorgung hat das Hafenamt nicht. „Wir warten erst mal das Gespräch heute ab. Welche Lösungen wir finden, kann ich jetzt noch nicht sagen“, meint Hinrich Gravert vom Hafenamt.. Und weiter: „Das TBT-Problem ist neu für uns.“Bislang hatten Gravert und auch Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD) stets bestritten, daß es wegen des Biozids TBT zu Problemen mit der Schlamment-sorgung kommen könnte.

Hamburger Behörden winken bei TBT gelangweilt ab. „Ein alter Hut“, meint der Sprecher des Hafenamtes, Heinz-Heribert Kosack. Hamburg hat verbindliche Richtwerte für den Umgang mit TBT. 1996 haben die Umweltminister der Elbanlieger auf Grund einer Gefahrenbewertung der Arbeitsgemeinschaft Elbe beschlossen, keinen Schlamm in die Nordsee auszubringen. „Wir Hamburger sind ordentlich, wir deponieren den Schlamm seit langem. Die Bremer mußte es ja mal erwischen“, erklärt Kosack.

Das Umweltgift TBT ist lange bekannt. Die Wirkung auf Meerestiere ist bewiesen. TBT-Forschungen in Bremer Häfen datieren aus den 80er Jahren. Unter anderem hat der einzige Hersteller TBT-haltiger Schiffsfarben in Deutschland, die Bergkamener Firma Wittkow, Forschungsergebnisse aus Bremen veröffentlicht. Th. Schumacher

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