piwik no script img

„Die anderen sind für uns nicht koalitionsfähig“

■ Kein Wahlkampf für einen Dosenberg: Die Anarchistische Pogo-Partei (APPD) im Interview

Seniorenpolitik oder Saufen, Tierschutz oder Transzendenz: Für die Hamburger Bürgerschaftswahl am 21. September kandidiert eine Reihe von Parteien und WählerInnengemeinschaften, die mehr oder minder ernsthaft die Hamburger Politik zu bereichern gedenken. Gemeinsam ist ihnen allen: Sie haben keine Chance, aber die wollen sie nutzen. Ein Überblick über die underdogs der Hamburger Politik Von Judith Weber

taz: Ihr seid nicht betrunken?

Jimmi: Das täuscht.

Karl Nagel: Ich bin's wirklich nicht. Einer muß nüchtern bleiben.

Warum will die Pogo-Partei in so eine bürgerliche Institution wie die Bürgerschaft?

Karl: Wir wollen auch mal ab-sahnen. Im Parlament ist das Gehalt für vier Jahre garantiert, und wenn wir 2001 nochmal reinkommen, kriegen wir bis ans Lebensende Rente – die einzige Altersversorgung, die noch sicher ist, und arbeiten muß man dafür auch nicht.

Man munkelt ja, daß auch Bürgerschaftler ab und zu arbeiten.

Karl: Wer das macht, hat die Sache falsch verstanden.

Wie sähe ein APPD-regiertes Hamburg aus?

Karl: Erstens regieren wir allein. Die anderen Parteien sind für uns nicht koalitionsfähig. Zweitens: Wir teilen die Stadt in drei Zonen. Die Anarchistische Pogo-Zone ...

Jimmi: Das ist St. Pauli.

Karl: Genau. Da leben wir. Dann die SBZs. Das sind Spießige Bürger-Zonen für alle, die gerne arbeiten.

Bambino: Poppenbüttel ...

Karl: Und drittens machen wir Gewalt-Erlebnis-Parks für Nazis und Gewaltverbrecher. Da können sie ihre ultrabrutale Gesellschaft aufbauen. Außerdem muß für St. Pauli mehr getan werden: Bavaria retten und das Hafenkrankenhaus wiedereröffnen.

Ossie: Damit man sich mit Astra dummsaufen und anschließend im Hafenkrankenhaus die Leber kurieren lassen kann.

Karl: Dann wollen wir das Recht auf Arbeitslosigkeit und Mitfickzentralen.

Ziemlich sexistisch.

Ossie: Wieso? Die APPD-Frauen verlangen das auch.

Meint Ihr das alles ernst?

Karl: Uns geht es nicht um einzelne Punkte wie Mitfickzentralen. Wir wollen zeigen, daß unsere Forderungen so realistisch sind wie die anderer Politiker, die mit diesem oder jenem Konzept die Arbeitslosigkeit abschaffen wollen.

Reicht das für fünf Prozent?

Karl: Ein Prozent ist genug. Dann kriegen wir Wahlkampfkosten erstattet. Im Unterschied zu anderen Parteien geben wir vor der Wahl zu, daß wir uns nur bereichern wollen. Und von dem Geld machen wir die asozialste Freibierfete, die es je gegeben hat. Mit einem Berg aus Bierdosen. Damit man sieht, was von Wählerstimmen übrigbleibt: Müll.

Wahlkampf für Dosenberge?

Karl: Nicht nur dafür. Wir wollen zeigen, daß es die Nichtwähler und Asozialen auch noch gibt und sie rausholen aus ihrer Passivität.

Nimmt Euch oft jemand ernst?

Karl: Das kommt schon vor. Meist brave Bürger oder Linke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen