■ Querspalte: Knast ist veraltet
Und unter den Talaren der Muff von tausend Jahren? Von wegen! Unsere Justiz zeigt sich schwer innovativ, hochbeweglich, das Ohr dicht am Puls der Massen. Sie denkt laut über neue Strafsysteme nach. Schon zu den blühenden Zeiten der RAF ahnten wir, daß der Knast im Grunde ein Luftkurort ist. CD-Player, Zeitungen, Damenbesuch, Hofgang bis zum Abwinken – wen soll das noch schrecken? Statt Wasser und Brot und Eisenkugel am Knöchel gibt's Kabeljauklößchen im Spinatbett; statt Streckbank und Daumenschrauben gemeinsames Stretching im Gym.
Der Kerker als Freizeitpark. Endlich suchen Bonner Sozialdemokraten und ihre Rechtsgutachter nach Alternativen. Irgendwo im Stau, im klimatisierten Dienst-Mercedes auf der Fahrt zum langen Eugen, müssen sie fündig geworden sein. Hier ist die zeitgemäße Bestrafung: nein, nicht die sofortige Zusammenlegung mit Egon Krenz. Schlimmer: Fahrverbot! Nicht nur Raser, Kindertotfahrer und Besoffene sollen künftig mit Führerscheinentzug bestraft werden. Auch „Kaufhausdiebe und Betrüger, Urkundenfälscher und Körperverletzer“ müßten neben einer Geld- oder Bewährungsstrafe „auch mit einem Fahrverbot rechnen“, meldet dpa.
Eine solche „Freizeitstrafe“ sei „eine wirksame Strafe, die dazu nichts kostet“, sagt der Nürnberger Generalstaatsanwalt Stöckel. Gut gesprochen, General Stöckel. Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg, kassiert den Turbo, verplombt den GTI nebst gehäkeltem Hutablageklorollenüberzug! Und die U-Bahn wird zur rollenden Gemeinschaftszelle. Aber: Was machen wir mit Radfahrern, Fußgängern und ÖPNVlern? Wenn schon Freizeitstrafe, dann richtig: Fernsehverbot! Hat sich in der Kinderabrichtung tausendmal bewährt. Ließe sich je nach Verbrechen prima staffeln. Talkshow auf Bewährung, zwei Jahre Sportschau-Entzug oder lebenslänglich nie mehr Privatfernsehen. Und die stillgelegte Satellitenschüssel wird zum neuen Blechnapf. Die Zeiten sind hart, aber modern. Manfred Kriener
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