: Heimtückische Feinde in fruchtbarer Erde
■ Eine Fotoausstellung im Übersee-Museum zeigt den Lebensalltag von Menschen in verminten Gebieten
Alle 15 Minuten tritt irgendwo auf der Welt ein Mensch auf eine Mine. 80% von ihnen sind Zivilisten, jedes dritte bis vierte Opfer ist ein Kind. Hinter solchen gesichtslosen und abstrakten Zahlenspielen, mit denen in der Regel die einschlägige Debatte geführt wird, verwandeln sich Tragödien in Statistiken, verlieren reale Individuen ihre konkrete Geschichte.
Was es aber tatsächlich bedeutet, in einem Land zu leben, in dem 20 Millionen Minen im Boden liegen, wie es sein muß, seine alltäglichen Bewegungen nach Schildern auszurichten, die markieren, wo das nächste Minenfeld beginnt, vermitteln jene Statistiken nicht. Aber genau das gelingt auf eindrucksvolle Weise den Fotografen Nic Dunlop und Leon Maresch.
„Der heimtückische Feind. Leben mit Landminen in Angola und Kambodscha“heißt ihre Ausstellung im Foyer des Übersee-Museums, die dort bis zum 29. September zu sehen sein wird. 30 großformatige s/w-Fotos von den ehemaligen Kriegsschauplätzen in Afrika und Asien zeigen den surrealen Alltag von Menschen, die inmitten fruchtbarer und idyllischer Landstriche wohnen, und wo dennoch auf Schritt und Tritt anstelle des erfüllten Lebens das qualvolle Sterben lauert.
Das Foto jenes unbekannten Angolaners, auf dem nur noch sein von der Sonne gebleichte Skelett zu sehen ist, verdeutlicht diesen makabren Zusammenhang drastisch. Durch den Tritt auf eine Mine verletzt, konnte ihm niemand zur Hilfe kommen, weil das Gebiet um ihn herum vermint war. Der Mann starb letztlich nicht an seinen Verletzungen, sondern weil er verhungert ist.
Leon Maresch, der zur Ausstellungseröffnung anwesend war, betonte in einer kurzen Ansprache, daß seine Fotos kein Mitleid provozieren wollen.
„Mir geht es darum, den Alltag zu zeigen, in dem die Menschen zu leben gezwungen sind.“Wer den Boden, auf dem er steht, weder bebauen noch gefahrlos begehen kann, wem sprichwörtlich der Lebensraum fehlt, leidet nicht nur an den Verstümmelungen, die die Minen zufügen.
Erst die Beseitigung der Minen eröffnet humane Perspektiven. In diesem Zusammenhang kritisierte Maresch auch die exorbitanten Lebensmittellieferungen in diese Gebiete. „Angola kann sich potentiell selbst versorgen, wenn die Minen nur nicht wären.“
So aber dokumentieren die Bilder die Banalität des Monströsen. Spielende Kinder, lachende Krüppel, arbeitende Bauern, in ihrem alltäglichen Gesten, Handlungen, Sorgen – und vor dem Hintergrund der omnipräsenten Schilder „Perigo Minas!“. zott
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen