: Vorstand reicher, Belegschaft ärmer
■ Bewag verdoppelt Vorstandsgehälter und baut kräftig Jobs ab
Die sozialen Gegensätze verschärfen sich – dazu trägt auch die bisher landeseigene Bewag kräftig bei. Im Geschäftsjahr 1990/91 erhielten die fünf Vorstandsmitglieder des Energieversorgers rund 400.000 Mark pro Jahr. Mittlerweile wurde dieser Betrag auf fast das Doppelte erhöht: 1995/96 bekamen vier Vorstände zusammen 3,13 Millionen Mark. Jeder Bewag-Chef erhielt durchschnittlich 770.000 Mark.
Während der Vorstand reicher wird, muß die Belegschaft den Gürtel enger schnallen. Seit 1991 reduzierte das Unternehmen die Zahl seiner Beschäftigten um 3.000 auf heute noch 9.300 MitarbeiterInnen.
„Absolut unmoralisch“, empört sich der stellvertretende Chef der Gewerkschaft ÖTV, Uwe Scharf. Die Erhöhung der Vorstandsgehälter bei gleichzeitigem Druck auf die Belegschaft zeige, „wie die Kultur in der Wirtschaft verkommt“.
Die Bewag will diesen Weg auch in Zukunft nicht verlassen. Rund 1.800 Stellen sollen in den kommenden Jahren eingespart werden, um die „Kosten zu senken“. Freilich fährt das Unternehmen schon jetzt gute Gewinne ein. Für das vergangene Geschäftsjahr 1996/97 stieg der Überschuß auf 184,5 Millionen Mark. Davon will man die Dividende erhöhen. Die neuen Eigentümer der Bewag, die Unternehmen Viag, PreussenElektra und Southern Company erhalten 25 Prozent mehr pro Aktie als zuvor das Land Berlin, das seine Anteile an die drei Konzerne verkaufte.
Bewag-Sprecher Reinhard Heitzmann argumentiert, daß die Dividende trotz dieser Erhöhung „noch unter dem branchenüblichen Wert“ liege. Die neuen Besitzer hätten durchaus das Recht, mehr zu verlangen.
Zusätzlich zur Gewinnausschüttung überweist der Energieversorger aus dem Jahresüberschuß 72,5 Millionen Mark steuerfrei in seine Rücklagen. Allein diese Summe würde ausreichen, um etwa 1.000 Arbeitsplätze zu erhalten.
Auf dem Rücklagenkonto „liegt das Geld nicht herum“, erklärt Heitzmann. Es würde für neue Investitionen gebraucht. Außerdem müsse die Bewag ihr Eigenkapital erhöhen, um die Kredit- und Zinsbelastung zu verringern.
Das Unternehmen beabsichtige im übrigen, die Vernichtung von 1.800 Stellen „sozialverträglich“, das heißt ohne Kündigungen, über die Bühne zu bringen, so Heitzmann. Der Bewag-Vorstand habe ein Konzept der Unternehmensberatungsfirma Boston Consulting Group (BCG) „nicht gebilligt“, im dem die Unternehmensberater die „langfristige Realisierbarkeit betriebsbedingter Kündigungen“ gefordert habe.
Nach Informationen der Morgenpost hatten die Berater neben den 1.800 weitere 577 Arbeitsplätze in Frage gestellt. Nach einem Warnstreik vor zwei Wochen finden heute weitere Verhandlungen zwischen der Bewag und der ÖTV statt, bei denen die Gewerkschaft Kündigungen verhindern will. Hannes Koch
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