Kompromiß bei bosnischen Serben

■ Der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević vermittelt zwischen Biljana Plavšić und den Machthabern in Pale

Split (taz) – Die Präsidentin der serbischen Republik in Bosnien- Herzegowina, Biljana Plavšić, konnte seit langem wieder einmal lächeln, als sie in Belgrad vor die Fernsehkameras treten mußte. Denn nach Gesprächen mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević wurde am Mittwoch abend ein Kompromiß mit ihren Widersachern aus der serbischen Extremistenhochburg Pale erreicht, der für sie günstig zu sein scheint.

Am 15. November soll in der sogenannten Republika Srpska nämlich das von ihren Gegnern beherrschte Parlament neu gewählt werden. Nach der Gründung ihrer eigenen Partei „Serbischer Volksbund“ und ihrem Rückhalt unter der Bevölkerung des dicht besiedelten Westbosniens kann sich Plavšić gute Chancen ausrechnen, daß ihre Partei zusammen mit anderen Oppositionskräften die bisherige absolute Mehrheit der SDS, der Partei von Radovan Karadžić, brechen kann.

Sie mußte jedoch hinnehmen, daß ihr eigenes Amt am 7. Dezember ebenfalls zur Wahl stehen wird. Versüßt wird der Kompromiß für sie dadurch, daß am gleichen Tag der serbische Repräsentant im Staatspräsidium des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina neu gewählt wird. Und da Momčilo Krajišnik, der bisherige Amtsinhaber, der wortgewaltigste und wichtigste Vollstrecker der Politik von Karadžić ist, hat nun die Bevölkerung der Republika Srpska die Möglichkeit, im Machtkampf der beiden Seiten zu entscheiden. Da zudem bestimmt wurde, daß die Fernsehsender in Pale und Banja Luka abwechselnd auf dem gesamten serbisch kontrollierten Territorium ausgestrahlt werden, ist der in Pale bisher üblichen Medienmanipulation ein Riegel vorgeschoben. Auch dieser Teil des Kompromisses kommt Biljana Plavšić zugute.

Ziel des Kompromisses ist, die von der internationalen Gemeinschaft betriebene Spaltung der Republika Srpska zu unterlaufen. Die Serben in Bosnien-Herzegowina sollen nach dem Willen von Milošević wieder an einem Strang ziehen. In den letzten Tagen war es sogar zu bewaffneten Zwischenfällen gekommen. So lieferten sich am letzten Montag Polizisten aus Pale im westbosnischen Dorf Tromedja bei Derventa ein Feuergefecht mit Plavšić-treuen Polizisten aus der Region. Zwar wurde niemand getötet, aber der Vorfall zeigt, wie blank die Nerven lagen. Angesichts der sich abzeichnenden Wahlerfolge der muslimischen Seite in Brčko und Srebrenica – die Ergebnisse der bosnischen Kommunalwahlen vom 13. September sollen am nächsten Montag veröffentlicht werden – wäre die Fortführung des innerserbischen Machtkampfes in der Tat negativ für die gesamte serbische Politik.

Und Milošević steht zudem unter innenpolitischem Druck. Mit dem Wahlerfolg des rechtsradikalen Tschetnikführers Vojislav Šešelj, dessen „Serbische Radikale Partei“ zur zweitstärksten Kraft in Serbien aufgestiegen ist und der übernächstes Wochenende an der Stichwahl gegen den Milošević- Kandidaten Zoran Lilić um das Amt des serbischen Präsidenten kämpfen wird, haben sich die Koordinaten der serbischen Innenpolitik verändert.

Šešeljs Partei ist zudem nach den bisher bekanntgewordenen Trends auch in der Republika Srpska in Bosnien erfolgreich und kann sich dort wahrscheinlich in vielen Gemeinden gleichwertig mit der Karadžić-Partei SDS und Milošević' Sozialisten etablieren. Dies liegt auch daran, daß Plavšić' „Serbischer Volksbund“ bei den Kommunalwahlen noch nicht zugelassen war.

Mit Šešelj ist ein ernsthafter Konkurrent Milošević' aufgetaucht, nachdem sich das demokratische Oppositionsbündnis Zajedno heillos zerstritten hat. Da Šešelj bei der Forderung eines großserbischen Reiches kompromißlos geblieben ist, zeigen die Wahlergebnisse auch, daß Milošević' Taktiererei gegenüber der internationalen Gemeinschaft bei vielen Wählern als Schwäche ausgelegt wird.

Mit dem Kompromiß zwischen Plavšić und Krajišnik ist es ihm erst einmal gelungen, wieder etwas Ruhe in die gesamtserbische politische Szenerie zu bringen. Und angesichts des erwarteten internationalen Drucks in bezug auf die Erfüllung des Vertrags von Dayton ist aus serbischer Sicht eine gemeinsame politische Strategie der wichtigsten Kräfte nötiger denn je. Erich Rathfelder