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Die Angst drückt auf den Rindfleisch-Umsatz

■ Fleischer-Verband meldet kräftige Einbußen. Mehr Aufklärung ist geplant

Frankfurt/Main (taz) – An der Fleischtheke fristet sie inzwischen fast ein Schattendasein: die Rinderwurst. Kaum jemand in Deutschland will sie mehr essen, wie Verbandspräsident Albert Pröller gestern in Frankfurt am Main beklagte. Und auch keine blutigen Steaks mehr oder Beinscheiben aus dem Schmortopf. „Die BSE-Problematik läßt uns nicht mehr los“, konstatierte Pröller auf der Wirtschaftspressekonferenz des DFV. Dabei seien die 21.837 eigenständigen FleischerInnen, die 32.742 Verkaufsstellen betreiben, weder die Verursacher der Skandale um BSE-verseuchte Rinder oder die verbotene Hormonmast bei Kälbern noch die Schuldigen in der Handelskette. „Aber wir müssen uns den bohrenden Fragen der Kundschaft stellen.“

Rund 300 Millionen Mark Umsatzverlust bei Rindfleisch hatten die Fleischerfachgeschäfte 1996 zu verkraften; Tendenz weiter fallend. Denn als sich Ende des vergangenen Jahres der Rindfleischverbrauch auf etwas niedrigerem Niveau wieder zu stabilisieren begann, „da kam Cindy oder Rita“. Das BSE-Tier habe die VerbraucherInnen wiederum verunsichert und damit auf den Absatz gedrückt. Für das laufende Geschäftsjahr sieht Pröller gleichfalls schwarz. Schließlich seien erst vor wenigen Wochen einige zehntausend Tonnen britisches Rindfleisch illegal eingeführt und von „dubiosen Geschäftemachern“ verarbeitet und verkauft worden. „Hoffnungen auf eine Verbesserung des Konsumklimas haben sich deshalb nicht erfüllt.“

Von 1995 auf 1996 ging der Rind- und Kalbfleischverzehr pro Kopf der Bevölkerung von 11,3 auf 10,5 Kilogramm zurück. Mehr Schweinefleisch wurde dafür nicht gegessen. Für den Hauptgeschäftsführer des DFV, Theo Wershoven, ein Indiz, daß die VerbraucherInnen bei Nahrungsmitteln generell eine höhere Sensibilität entwickelt hätten. Alles werde kritisch beobachtet. Umwelt- und Gesundheitsaspekte spielten beim Kauf von Lebensmitteln eine große Rolle.

Diesem Verbraucherverhalten will der DFV jetzt Rechung tragen. „Was ist drin in der Wurst?“ heißt die Aktion des Verbandes für alle Mitgliedsbetriebe im Fleischerhandwerk. Auf Informationstafeln soll die Kundschaft in naher Zukunft in jedem Fleischerfachgeschäft darüber informiert werden, welche Inhalts- und Zusatzstoffe sich in den angebotenen Wurstsorten ihrer Fleischerei befinden. Ein deutsches Reinheitsgebot wie beim Bier forderten Pröller und Wershoven für die deutsche Wurst nicht. Denn traditionell würden die deutschen Metzger nur Zusatzstoffe verwenden, die der Produktsicherheit dienten oder technologisch notwendig seien. Nachdrücklich warnte Pröller vor dem neuen EU-Recht, das auch Farbstoffe bei der Wurstherstellung zulasse: „Die Farbe soll eine Frische vortäuschen, die tatsächlich nicht vorhanden ist.“

Und was tun gegen die Angst der VerbraucherInnen vor BSE- verseuchtem Rindfleisch? Da setzt der DFV auf das von ihm im Rahmen der EU-Verordnung entwickelte „Rindfleisch-Etikettierungssystem“. Das soll ab dem Jahre 2000 für alle Anbieter von Rindfleisch verbindlich werden – mit neutraler Überwachung. Das System, so Pröller, garantiere eine „lückenlose Kontrolle vom Stall bis auf die Fleischertheke“. Klaus-Peter Klingelschmitt

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