Analyse: Milliardenschleudern
■ Die Bundesregierung beschließt die Bestellung von 180 Eurofightern
Deutschland rüstet auf. Gestern beschloß die Bundesregierung, daß 180 Eurofighter bestellt werden sollen. Allein im kommenden Jahr sind 850 Millionen Mark dafür vorgesehen. Die sollen 1998 zwar noch durch Einsparungen bei anderen Teilen des Militärs herausgeholt werden. Doch in der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung ist vorgesehen, daß der Verteidigungshaushalt wieder wächst.
23 Milliarden Mark kosten die neuen Geschwader, die zwischen 2002 und 2014 ausgeliefert werden sollen – so behauptet Verteidigungsminister Volker Rühe. Doch er weiß am besten, daß die Rechnung noch viel höher werden wird. Im September hatte er Besuch vom Bundesrechnungshof. Der legte ihm schwarz auf weiß eine andere Bilanz vor: „Die Beschaffung, vollständige Ausrüstung und Bewaffnung wird den Epl. 14 (Haushalt des Verteidigungsministeriums, d. Red) mit mindestens 30 Mrd. DM, wahrscheinlich aber über 33 Mrd. DM belasten.“
Zum einen ist die Bewaffnung der Eurofighter noch nicht mitberechnet. Die Raketen für den Jäger – der zunächst mit altem Gerät startet – sollen zusammen mit den anderen beteiligten Staaten neu entwickelt und ab Mitte des nächsten Jahrzehnts in die Flugzeuge eingebaut werden. Für die 40 Eurofighter, die auch als Bomber genutzt werden können, fehlen noch erheblich mehr Teile.
Hinzu kommt, daß erfahrungsgemäß gerade im Rüstungsbereich die Preissteigerungsraten extrem hoch sind. Schon bei den Entwicklungskosten haben die beteiligten Firmen immer wieder nachgelegt. Noch vor zehn Jahren waren 5,8 Milliarden Mark dafür angesetzt worden. Inzwischen sind sie auf 8,5 Milliarden Mark angestiegen, moniert der Rechnungshof. Und eigentlich wären es bei ordentlicher Buchführung noch ein paar Milliarden Mark mehr. Ähnlich wie der Finanztrickser Theo Waigel hat auch Volker Rühe Kosten in die Zukunft verschoben. Die normalerweise unter „Entwicklung“ zu verbuchenden Kosten für die Serienreife hat Rühe einfach der „Beschaffung“ zugeordnet. Bei korrekter Kalkulation kostet der Eurofighter die deutschen SteuerzahlerInnen 15 Milliarden Mark, noch bevor ein einziges Flugzeug ausgeliefert ist, hat der Bundesrechnungshof herausgefunden. Und wenn sie erst da sind, brauchen sie innerhalb von 25 Jahren noch einmal 27 Milliarden Mark als Betriebskosten, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage im Bundestag hervorgeht.
Das Geld für Forschung und Entwicklung für den Kampfflieger ist unwiderbringlich verloren. Jetzt kann das Projekt nur noch bei den Haushaltsentscheidungen des Bundestags abgeschossen werden. Das Arbeitsplatzargument kann dabei eigentlich nicht zählen. Denn für den Anschaffungspreis eines einzigen Eurofighters könnte man 2.800 Sozialarbeiter ein Jahr lang beschäftigen oder 1.800 Krankenhausärzte in Lohn und Brot bringen; bei Einberechnung der Betriebskosten für den Jet wären es sogar noch viel mehr. Zu tun gibt es genug. Und das Geld scheint ja da zu sein. Annette Jensen
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