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Bis zur Pubertät fühlte er sich ganz gut

„Ich habe gemerkt, daß ich ein Junge bin und kein Mädel“: Eine Fotografie-Ausstellung von Daniel Fuchs und Geo Fuchs im Haus am Kleistpark zeigt nicht nur Aufnahmen von transsexuellen Menschen, sie fragt auch nach ihren ganz persönlichen Lebenswegen  ■ Von Andreas Hergeth

Die junge Frau schaut direkt in die Kamera. Ihre Arme hat sie verschränkt, so als ob sie alle Welt mal könnte. Auf einem anderen Bild schweift ihr Blick in die Ferne. Traurig, allein, sehnsüchtig. Sabine P., 31 Jahre alt, wurde nicht als Frau geboren. Ihr und 20 anderen transsexuellen Frauen und Männern ist eine Ausstellung, die die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und das Haus am Kleistpark ausrichten, gewidmet.

Die Bilder, die die beiden Fotografen Daniel Fuchs und Geo Fuchs machten, sind eigentlich völlig unspektakulär. Wer voyeuristische Einblicke erwartet, wird enttäuscht. Die beiden wollen Klischees, die viele in den nachmittäglichen Talkshow-Sendungen immer wieder serviert bekommen, nicht bedienen. Und gerade das macht den Reiz der Schwarzweiß- Bilder aus. Daniel und Geo Fuchs zeigen ihre Modelle in Alltagssituationen. Sicher, auch diese wurden inszeniert, aber eben fast liebevoll dezent, sensibel.

Da lächelt Charlotte von Mahlsdorf milde ins Objektiv. Sie, wie einige der Porträtierten auch, hat sich nicht operieren lassen. Sie kommen so in ihrer neuen Geschlechterrolle klar oder warten noch mit einer Entscheidung.

Frech und kokett guckt dagegen die 22jährige Alexa M. den Betrachter an, nur einmal scheint auch sie sehr traurig zu sein. Höhen und Tiefen im Entwicklungsweg vom Mann zur Frau oder von der Frau zum Mann sind auch in anderen Porträtaufnahmen sichtbar.

Wieviel Kraft und Mut mag es zum Beipiel Pascal H. gekostet haben, endlich als Mann zu leben. Die begleitenden Texte in der Ausstellung wie im exzellenten Katalog aus dem Verlag Martina Rueger belegen dies. Der Mann, der vor 41 Jahren als Frau das Licht der Welt erblickte, kam gleich nach der Geburt in ein Heim, mit drei Jahren zu Pflegeeltern.

„Soweit ich zurückdenken kann, habe ich gemerkt, daß mit mir irgend etwas nicht stimmt, daß ich ein Junge bin und kein Mädel“, erzählt Pascal H. Bis zur Pubertät fühlt er sich ganz gut, doch dann beginnt die Brust zu wachsen. Fortan kann er sein Spiegelbild nicht mehr ertragen, mit der einsetzenden Periode bricht eine Welt zusammen: „Ich war nicht mehr der, der ich sein wollte.“ Pascal trägt heimlich Männerkleidung, verliebt sich in Mädchen und greift mit 16 Jahren zum Alhokol. Er fühlt sich alleingelassen mit seinen Problemen und Empfindungen – Erfahrungen, die alle Transsexuellen in ihrem Leben machen müssen. Es dauert lange, bis sich Pascal zur Operation entschließt.

Anfang 1994 läßt er Brust und Gebärmutter entfernen. Nach der Operation beantragt er die Personenstandsänderung. Auf allen Fotos trägt er dunkle, klassische Anzüge. Und steht einfach so da, als Mann, als Mensch – endlich im richtigen Körper. Und auch endlich glücklich? Die meisten Bilder transportieren Traurigkeit. Leider.

„Hatten alle Transsexuellen eine schreckliche Kindheit?“ fragt dann auch ein Besucher im Gästebuch. Die Vermutung liegt nahe, alle ausgewählten Zitate lassen eigentlich nur diesen Schluß zu. Glücksmomente, zum Beispiel gerade in der neuen Geschlechterrolle „angekommen“, muß es geben, einige Passagen in den Texten geben davon Auskunft. Viel mehr davon wären wünschenswert, würden den Betrachter der Bilder vielleicht nicht mit diesem seltsamen wehmütigen Gefühl aus der Ausstellung entlassen.

Eine Besucherin hat sich nach ihrem Rundgang im Gästebuch ihren Frust von der Seele geschrieben: „Was mich ärgert, ist der Titel der Ausstellung. Ich finde, wir leben nicht im falschen Körper, sondern in einer falschen Gesellschaft.“

Alles Quatsch, meint Christiane Zwank dazu. Die heute 46jährige lebt seit 1988 als Frau, im Mai 1990 hatte sie die geschlechtsangleichende Operation. „Wir leben von Geburt an im falschen Körper“, sagt sie, „das ist doch offensichtlich. Welche Schuld daran trägt denn die Gesellschaft?“ Deren Verantwortung kommt erst ins Spiel, wenn eine gebürtige Frau als Mann, wenn ein gebürtiger Mann als Frau leben will. So wie Christiane Zwank zum Beispiel, die ihre Erfahrungen gern und oft an andere weitergibt.

Deshalb ist sie jeden Mittwoch von 17 Uhr bis 19 Uhr in der Ausstellung für Gespräch und Beratung anwesend. Außerdem findet am 15. Oktober um 19 Uhr eine Gesprächsrunde zum Thema „Was Sie schon immer über Transsexualität wissen wollten“ und 14 Tage später zur gleichen Zeit unter dem Titel „Verschwinden die Geschlechtergrenzen?“ eine Debatte um Transgender vor dem Hintergrund der Transsexualität statt.

„Im falschen Körper – Transsexuelle Menschen in Deutschland“. Bis 2.11., Di. bis So. 12 bis 18 Uhr, Mi. 12 bis 20 Uhr, Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6–7

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