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■ Friedensnobelpreis für eine weltweite Bürgerinitiative: Seit fünf Jahren kämpfen rund 1.000 nichtstaatliche Organisationen gemeinsam für ein Verbot von Landminen. Mit Erfolg.Wie man Waffen ächtet

Friedensnobelpreis für eine weltweite Bürgerinitiative: Seit fünf Jahren kämpfen rund 1.000 nichtstaatliche Organisationen gemeinsam für ein Verbot von Landminen. Mit Erfolg.

Wie man Waffen ächtet

Das Recht aller Menschen, in ihren Heimtländern frei von der Bedrohung durch Landminen zu leben, wurde mit dem Preis endlich anerkannt.“ In diesem „humanitären Fortschritt“ liegt für Paul Vermeulen, Sprecher der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) in Genf die politische Bedeutung des Friedensnobelpreises für seine Organisation und ihre US-amerikanische Koordinatorin Jody Williams. Ähnlich begründet das Nobel-Komitee des norwegischen Parlaments die Vergabe des Preises an die rund 1.000 regierungsunabhängigen Gruppen aus knapp 60 Ländern. „Mit dem erfolgreichen Einsatz solcher Gruppen“ zeichne sich „am Horizont das Bild einer zivilen Gesellschaft ab, die Waffen wie Antipersonenminen nicht länger hinnimmt“.

Nach Einschätzung des Komiteevorsitzenden Francis Sejersted hatte die Kampagne „entscheidenden Einfluß“ auf das Ende September von über 90 Staaten vereinbarte Abkommen zum Verbot von Antipersonenminen. Sie haben es geschafft, „daß ein weltweiter Bann dieser Waffen heute keine bloße Vision mehr ist“.

Bislang ging der Friedensnobelpreis fast immer an Einzelpersonen, in einigen Ausnahmefällen an Organisationen. Nie zuvor in der Geschichte des Friedensnobelpreises wurde eine so breite internationale Basisbewegung von Gruppen und Einzelpersonen ausgezeichnet wie in diesem Jahr. Die ursprüngliche Initiative für die Internationale Landminenkampagne ging 1991 von Medico International und der Stiftung amerikanischer Vietnamkriegsveteranen (VVAF) aus. 1993 organisierten sie gemeinsam mit den Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Handicap International, der Internationalen Ärztevereinigung für Menschenrechte sowie einer Beratergruppe vorwiegend britischer Minenräumexperten in London die Gründungskonferenz für die internationale Kampagne.

Durch beharrliche Aufklärungs- und Lobbyarbeit in zahlreichen UNO-Staaten sowie bei internationalen Regierungskonferenzen zum Thema Landminen schuf die Kampagne den erforderlichen öffentlichen Druck, der schließlich Anfang 1996 zur Ottawa-Initiative der kanadischen Regierung und damit zum Abkommen von Oslo führte.

Wesentlich für diesen Erfolg war, daß 1994 auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine politische Zurückhaltung aufgab und seitdem – ebenso wie das UNO-Kinderhilfswerk Unicef – öffentlich für das Verbot von Antipersonenminen auftritt.

Viel mehr Aktive als nur Lady Di

In der modernen Medienwelt werden politische Sachverhalte und Initiativen zunehmend auf Schlagzeilen über prominente Personen und spektakuläre Ereignisse verkürzt. Langfristig angelegte Basisbemühungen ohne große Namen haben unter diesen Bedingungen immer weniger Chancen, wahrgenommen und in ihrer Wirkung richtig eingeschätzt zu werden. Die Nachrichtenagentur AFP etwa stellte die Internationale Landminenkampagne gestern als „stillen Kampf“, dar, der „öffentliches Interesse“ erst durch das Engagement von Prinzessin Diana erfahren habe. Ähnlich verfuhren Reuters und andere britische Medien, die in ihrer Berichterstattung zum Teil sogar die Interpretation nahelegten, erst der Tod der Prinzessin habe zur Nominierung der Minenkampagne und zu der Auszeichnung geführt.

Doch die Geschichte dieses Friedensnobelpreises und auch seine Verleiher selbst widersprechen dieser Interpretation. Die ursprüngliche Nominierung der Internationalen Landminenkampagne sowie ihrer Koordinatorin Jody Williams erfolgte bereits im Januar dieses Jahres durch den US-Kongreßabgeordneten James Mc Govern. Parlamentarier aus Österreich und Belgien sowie eine Gruppe früherer Friedenspreisträger bekundeten dem Nobelpreiskomitee ihre Unterstüzung für den Vorschlag. Dianas Wirken und ihr Tod haben nach Informationen der taz aus dem Nobelpreiskomitee somit keinen Einfluß auf die Entscheidung gehabt. Öffentlich erklärte der Vorsitzende Francis Sejersted, die britische Prinzessin sei „eine von vielen Tausenden gewesen, die sich in dieser Frage eingesetzt haben“. Zwar habe Dianas Tod die Aufmerksamkeit gegenüber Landminen sicher erhöht. Doch nach Ansicht des Komitees seien „die internationale Kampagne und ihre Sprecherin die herausragende Erscheinung im Kampf gegen Landminen“.

Norwegens Außenminister Tore Gudal hofft, daß die „erfreuliche Auszeichung“ der Kampagne „zusätzlichen Druck schafft“ auf Staaten wie die USA, die die Oslo- Vereinbarung über das weltweite Verbot von Antipersonenminen bislang nicht unterzeichnet haben. Oder aber auch auf China und Rußland, die sich nicht einmal an den entsprechenden Verhandlungen beteiligt hatten.

Diese Hoffnung hat auch die Kampagne. Ihr Sprecher macht sich aber keine Illusionen: „Der Nobelpreis allein wird die Positionen nicht verändern.“ Immerhin kündigte gestern Boris Jelzin beim Europarats-Gipfel in Straßburg an, Rußland werde den Vertrag unterzeichnen. Zunächst wird die Kampagne nun Druck auf die Regierung in Washington ausüben. Ihre VertreterInnen wollen „schon bald“ ein Gespräch mit Präsident Bill Clinton führen.

Die Initiative will zudem dafür sorgen, daß „eine wesentliche Unklarheit“ des Vertragstextes von Oslo „bereinigt wird“. Bislang schließt der Text von einem Verbot nicht nur Panzerabwehrminen aus, sondern generell und ohne Minimalgewichtsangabe sämtliche „gegen Fahrzeuge“ gerichteten Minen. Das sei eine „gefährliche Grauzone“. Durch die Hintertür würde so auch der Einsatz von Antipersonenminen wieder möglich. Andreas Zumach, Genf

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