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Ich Mensch, du Maschine?

■ Symposium im Frauenkulturhaus TheaLit erkundet das Leben hinter den Steckdosen

Ein langweiliger Samstagabend, irgendwo im Universum. Ein Griff zur Maus, eine der zahllosen World WideWeb-Adressen eingetippt und schon surft eine Zellanhäufung in Sitzhaltung durch die virtuelle Parallelwelt. Unendliche Weiten öffnen sich hinter der 15 Zoll-Glasscheibe. Dennoch: Der Abend bleibt dröge. Also wird die Maus zurück in ihr Loch geschoben und man betätigt den Ausschaltknopf. HALT!!!

Womöglich ist das Totschlag, Beihilfe zum Mord gar. Denn glaubt man Helene von Oldenburg, ist es eine ernstzunehmende Frage, ob es sich beim WorldWideWeb „um ein Lebewesen handelt“. Das WorldWideWeb – ein Wesen wie Du und die linksdrehenden Kulturen in meinem Joghurt! Leben, das unser strunzdoofer taz-Brockhaus noch in seiner papierenen Einfalt als „Seinsform der Organismen“beschreibt, es wabert bereits aus der Steckdose.

Da liegt es quasi auf der Epidermis unterhalb des Kahnbeins, eine „Systematik der Webfauna“zu erstellen und „Habitat, Physiologie und Verhalten“dieser Existenzen zu erfassen. Auch das wird Helene von Oldenburg heute Nachmittag in ihrem Vortrag „Neue Lebensformen im Netz“tun. Die Veranstaltung ist Teil eines spannenden Symposiums, das heute und morgen im Frauenkulturhaus TheaLit stattfinden wird.

Ab 11 Uhr werden 11 Medienhistorikerinnen, Theoretikerinnen und Künstlerinnen die zunehmend schwammiger werdenden Grenzen zwischen Mensch und Maschine aus den verschiedensten Perspektiven analysieren, ehe sich Referen-tinnen und Besucherinnen zum Ausklang dieses „Laboratoriums Künstliches Leben://Mediengeschichten“am frühen Sonntagabend zwecks Regeneration ihrer (noch?) morbiden Leiber auf ein Sekt- und Schnittchengelage stürzen dürfen.

Bis dahin muß frau allerdings einige durchaus schwerer zu verdauenden Häppchen zu sich nehmen. Anja Overdiek möchte anhand der Filme „Lost Highway“von David Lynch und David Cronenbergs „Crash“aufzeigen, wie sehr sich infolge aktueller Debatten um künstliches Leben unsere Vorstellungen über Leben, Tod, Begehren und Geschlechtlichkeit verändert haben. Die Künstlerin Eva Wohlgemuth gewährt Einblicke in „den Innenraum der Körperhülle“. Wohlgemuth hat ihren Leib kartieren lassen. 285.000 Körperpunkte wurden fixiert und zu einem digitalen Datenobjekt zusammengesetzt. „Ich existiere fortan als Bodyscan“, schreibt sie in ihrer Programmankündigung und fordert InternetnutzerInnen auf, über diesen Körper hinwegzufliegen und in ihn einzudringen.

Den metaphorischen Parallelen zwischen Kannibalismus und kosmologischen Auferstehungsphantasien widmet sich Andrea Sicks Vortrag „Geisterleben, Menschenessen“, während Claudia Reiche der Frage nachgehen wird, ob Computerprogramme, die beanspruchen, Lebensprozesse simulieren zu können, als Modelle zum Verständnis der Natur sinnvoll sind. Wer mag, kann die Programme im Anschluß an den Vortrag selbst ausprobieren. zott

Das zweitägige Symposium findet ab heute in den Räumen des TheaLit, Im Krummen Arm 1, statt. Teilnahmegebühren: 60 Mark (ermäßigt 30 Mark). Einzelne Vorträge kosten 10/5 Mark. Das Symposium ist exklusiv für Frauen. Weitere Infos unter

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