■ Die Hamburger Grünen hatten Erfolg, aber keinen entscheidenden: Weder Kröte noch Hummer
Hamburg wird rot-grün regiert. Diese Nachricht hat keinen hohen Überraschungswert mehr, und genau darin liegt ihre Qualität. Eine beruhigende Normalität macht sich mittlerweile breit, wenn Sozialdemokraten und Grüne eine Landesregierung bilden. Kein Zittern geht mehr durch die Republik, es ertönt kein Gejaule auf der rechten und kein Gejammere auf der linken Seite. Bei so viel Normalität stellt sich die Frage nach der Identität. Und in der Antwort darauf ist tatsächlich der größte Mangel der in Hamburg erzielten Koalitionsvereinbarung verborgen.
Die Grünen haben am alten Profil nicht mehr festhalten und das neue noch nicht greifen können. In der noch jungen Entwicklungsgeschichte der Partei haben sie einen Schritt getan, aber keinen entscheidenden. Sie haben klugerweise nicht festgehalten an ihrem Widerstand gegen die ökologisch fragwürdigen Großprojekte der Hafenerweiterung und der Elbvertiefung.
Für manche mag das eine Preisgabe sein. Sie haben damit aber lediglich den Dauerkonflikt vermieden, unter dem die nordrhein-westfälische Koalition von Anbeginn leidet und der, wenn überhaupt, nur noch um den Preis des grünen Gesichtsverlusts geregelt werden kann.
Auch in Hamburg hätte man man sich im hinhaltenden Widerstand der Prüfaufträge und Genehmigungsverfahren verschanzen können. Mehr als ein Garzweiler wäre dabei nicht herausgekommen. Den Grünen ist es allerdings nicht gelungen, das Finanzressort zu erringen. Diese Schlappe wiegt um so schwerer, als sie mit Willfried Maier über einen anerkannten Fachpolitiker verfügen. Sie haben damit die Möglichkeit vergeben, ein zentrales Projekt der Zukunftssicherung voranzubringen und das Profil der Gesamtpartei zu erweitern. Daß Finanzpolitik gerade in den Großkommunen ein profilschärfendes Feld ist, macht die Berliner Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) vor. Ihr ist es gelungen, der maroden Partei ein neues Image zu verschaffen.
Die Hamburger Grünen hätten die Chance gehabt, nachzuweisen, daß sie als Haushaltspolitiker besser, weil nicht so klientelverbunden sind. Die vergebene Chance resultiert aus einer Verhandlungsstrategie, die die Verteilung der Posten an den Schluß stellte, als die Grünen keine Druckmittel mehr in den Händen hielten. So bleibt ihnen in den kommenden vier Jahren das landespolitische Mittelfeld. Doch auch aus dieser Position lassen sich ja bekanntlich durchaus Tore erzielen. Dieter Rulff
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