piwik no script img

Hamburgs Senat für das nächste Jahrtausend

Jetzt wird wieder regiert: Rot-Grüner Senat bekam fast alle Stimmen aus dem eigenen Lager  ■ Von Silke Mertins

„Ich schwöre“, sagte Ortwin Runde, und schon war er Erster Bürgermeister. 74 Abgeordnete hatten für ihn gestimmt, 45 dagegen, bei 2 Enthaltungen; mindestens ein Rot-Grüner muß also sein Ja-Wort verweigert haben, da SPD und GAL zusammen 75 Sitze in der neuen Bürgerschaft haben. Doch von diesem kleinen Schönheitsfehler abgesehen herrschte eitel Sonnenschein.

Runde berief seine SenatorInnen, und die Bürgerschaft segnete die Wunschliste ab. Dann war Händeschütteln und Schulterklopfen angesagt. Der Rot-Grün-Verlierer Leonard Hajen, der seinen Posten für die neue Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) räumen mußte, freute sich dennoch über die Gelegenheit, die Grünen nun endlich mal – zur Gratulation – umarmen zu dürfen.

Der neue Pinn-up-Senat fürs nächste Jahrtausend startete mit einer wenig glanzvollen Rede des Regierungschefs. Neben Altbekanntem gab es auch fundamentale Erkenntnisse zu hören: „Die Entwicklung einer beschäftigungsorientierten Beschäftigungspolitik hat für Hamburg entscheidende Bedeutung.“Ja, wer hätte das gedacht?

Dafür hatte die neue Allein-Opposition eine Sternstunde. Der ewige Kronprinz, CDU-Fraktionschef Ole von Beust, konnte im Gegensatz zu Runde seine Leute zu Beifallsstürmen hinreißen. „Wollen Sie regieren oder verwalten?“, fragte er den Bürgermeister. Der Koalitionsvertrag sei „ein kleinkariertes Sammelsurium voller fauler Formelkompromisse“. Am schlimmsten aber sei, daß Runde sich nicht getraut habe, mit der Neubesetzung des Senats ein Zeichen der Veränderung zu setzen. Eine „Zumutung“sei etwa die „kommunikationsgestörte“Schulsenatorin Rosi Raab (SPD). Ebenso unerträglich sei die „überforderte“Sozialsenatorin und Hafenkrankenhaus-Schließerin Helgrit Fischer-Menzel. Ganz zu schweigen von Innensenator Hartmuth Wrocklage, der die Innere Unsicherheit zu verantworten habe.

Für die Grünen ergriff der Fraktionschef in spe, Martin Schmidt, das Wort. Zunächst merkte er an, daß die SPD schon mehrere Koalitionspartner verschlissen habe, die im Anschluß an die Regierungszusammenarbeit aus dem Parlament flogen. Dann folgte regierungsloyales Geplapper und der eine oder andere ehrliche Satz, zum Beispiel: Beim Thema Migration „gab es in der Vergangenheit viele Auseinandersetzungen zwischen GAL und SPD, die bis an die Grenze der Zumutbarkeit gingen.“Das soll jetzt alles besser werden. Auf die Kontrolle der Regierung durch die GAL-Fraktion, versprach Schmidt, könnten sich die drei grünen Senatoren auf jeden Fall schon mal einstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen