Das Portrait: Ein Bürgermeister ohne Fehl und Tadel
■ Francesco Rutelli
Ein Mann, so richtig aus dem Bilderbuch: jung, hübsch, tatkräftig, doch gleichzeitig ein Softie, ein Umweltschützer und lieber mit der Vespa als mit dem Dienst-Alfa-Romeo unterwegs. Dann aber ist Francesco Rutelli auch wieder einer, der die große Industrie und das Managertum zufriedenzustellen weiß. Ohne Fehl und Tadel, und so halten es auch die Römer: Mehr als 60 Prozent gaben dem 40jährigen bei der Bürgermeisterwahl im ersten Durchgang ihre Stimme. Vor vier Jahren waren es 38 Prozent gewesen, und selbst bei der Stichwahl war er nur auf 54 Prozent gekommen.
So ganz einverstanden sind aber viele seiner früheren Fans nicht mehr mit ihm. Daß er sich als Grüner präsentiert, verstehen jene nicht mehr, die ihn bei der letzten Wahl unter umweltschützerischen Aspekten unterstützt hatten. Von der versprochenen Wiederbegrünung Roms ist nichts zu sehen. Zwar wurde der Schutzring gegen den Smog wesentlich erweitert – steigen die Abgase über einen bestimmten Wert, dürfen die Innenbezirke nicht mehr befahren werden –, doch die offiziell autofreie Altstadt wird weiter von Zehntausenden von VIPs befahren. Zwar treibt Rutelli den Bau eines Regierungsviertels vor den Toren der Stadt voran, um die Innenstadt vom Behördenverkehr zu entlasten – doch gleichzeitig hat er die Höchstbaugrenze bis zum 6. Stock aufgehoben. Auch daß er sich der Linken zuordnet, halten viele für nicht mehr schlüssig, seit er einen Platz im Zentrum nach einem Minister des faschistischen Regimes Mussolinis benennen wollte. Daß er, der Großbürgerssohn mit mehreren Villen, seine Volksnähe eher vorspielt, hatten manche auch schon vor seinem Antritt als Kandidat fürs „Rom, das in Bewegung gerät“ befürchtet.
Dennoch hat er auch Meriten: Wer nach Rom kommt, wird nicht mehr so zugeparkte Straßen finden wie früher. Die Museen sind länger geöffnet, Ladenschlußzeiten sind touristenfreundlicher, die Müllentsorgung klappt besser. Gewonnen, das sagen auch seine Strategen, hat er jedoch nicht dieser Verdienste wegen – sondern weil die Rechtsopposition keinen zugkräftigen Kandidaten aufbieten konnte. Das wiederum rechnet sich Rutelli als Verdienst an. Er sei eben so erfolgreich Bürgermeister aller Römer, daß es nur wenige Nischen gebe, in die sich Gegenkandidaten einnisten könnten. Werner Raith
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