: Kunst in Schuldenfalle
■ Junges Theater stolpert erfolgreich in ein Riesendefizit / Zukunft auf Sparflamme
Zum Beispiel das Junge Theater. „Das Spielen ist das Teure im Theater“, hatte der Ex-Intendant am Goetheplatz, Hansgünther Heyme, einmal behauptet. Auf das Junge Theater trifft diese seltsame These zu. Mit einem Defizit von 120.000 Mark rechnet die rege Off-Bühne in der Friesenstraße zum Jahresende. Das Theater muß jetzt sparen, wo nichts zu holen ist. Nach Angaben des Sprechers Carsten Werner bekommen die SchauspielerInnen – mit einer monatlichen „Gage“von 650 Mark ohnehin HungerkünstlerInnen – schon seit zwei Monaten kein Geld mehr.
Es ist genauso wie vor zwei Jahren, und doch ist alles anders. Damals, 1995, hatte das Junge Theater den Spielbetrieb für einige Monate eingestellt. Dann griff die Rettung durch Beirat, Sponsoren und Kulturbehörde, die das Haus mit 150.000 Mark erstmals institutionell förderte. Für 1998 stehen laut Haushaltsanschlag sogar 200.000 Mark in Aussicht, was nichts daran ändert, daß das Theater in der Schuldenfalle sitzt. Paradoxerweise trotz verdoppelter Eigeneinnahmen und ZuschauerInnenzahlen.
„Es ist das erste Jahr, das wir nach der Rettung 1995 normal gefahren haben“, sagt Carsten Werner und weist den Vorwurf schlechten Wirtschaftens von sich. Normal heißt: Einschließlich des Großprojektes „Black Rider“sechs Eigenproduktionen in diesem Jahr. Dazu Wiederaufnahmen, Lesungen und Gastspiele. Normal heißt auch, daß rund 100.000 Mark vom erwarteten Jahresumsatz von rund 750.000 Mark für Miete und Transportkosten draufgehen. Normal heißt schließlich noch, daß Sozial- und Arbeitsamt zunehmend die Zahlung von Transferleistungen stoppen, wenn Ensemblemitglied X oder Y gerade in einer Zeitung als SchauspielerIn des Jahres gefeiert wird. Und normal heißt endlich, daß sich Erfolge in der Kunst nicht garantieren lassen.
Deshalb halten Carsten Werner und der künstlerische Leiter des Theaters, Ralf Knapp, den von der Kulturbehörde vorgeschlagenen Tilgungsplan für illusorisch. Eine „eingeschränkte Programmstruktur“mit höchstens vier Eigenproduktionen sieht der vor, damit aus dem erhöhten Zuschuß das Defizit in den nächsten beiden Jahren abgetragen werden kann. Einen „ziemlichen Profilknick“sieht Knapp voraus. Und Hilfe von anderswo? Ja, sagt Werner, von KulturpolitikerInnen habe es Signale gegeben, doch zur Zeit sei alles „sehr uneindeutig“. ck
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