: Der dritte Akt im Parteispendendrama
Durch dubiose Zahlungen an seine Partei ist Tschechiens Regierungschef Václav Klaus in Bedrängnis geraten. Nutznießer der Affäre könnte der Ex-Außenminister Josef Zieleniec sein. Er interessiert sich für Klaus' Nachfolge ■ Aus Prag Sabine Herre
Die Geschichte beginnt im Herbst 1995. In diesem Vorwahljahr erhält die mächtigste der Regierungsparteien, die Bürgerlich- Demokratische Partei (ODS) von Ministerpräsident Václav Klaus, eine Spende von 7,5 Millionen Kronen (rund 500.000 Mark).
Natürlich haben auch die tschechischen Gesetze einen Paragraphen für Parteispenden vorgesehen. Ab 100.000 Kronen müssen die Geldgeber samt staatlicher Identifikationsnummer angegeben werden. Welche Verwunderung überfällt jedoch die amtlichen Prüfer – hier beginnt im April 96 der zweite Akt –, als sie feststellen, daß der eine der beiden angeblichen 7,5-Millionen-Spender, Lajos Bacs aus Budapest, bereits seit mehreren Jahren tot, der andere ein Geschäftsmann aus Mauritius ist, der von der ODS noch nie etwas gehört hat. Die Republik hat ihren Parteispendenskandal.
Der dritte Akt spielt 1997. Völlig überraschend tritt im Oktober der Außenminister und stellvertretende Vorsitzende der ODS, Josef Zieleniec, zurück. Einen eindeutigen Grund nennt er nicht. Es wird vermutet, daß Zieleniec unzufrieden darüber ist, wie Václav Klaus die Partei leitet. Auch von unehrenhaften Geschäften der ODS ist die Rede, ohne daß klar wird, was damit gemeint sein könnte. Klar jedoch ist, daß nach den wirtschaftlichen Turbulenzen im Frühjahr die Bevölkerung sich eine starke Führung wünscht. Selbst Präsident Havel denkt daran, den Premier auszutauschen – nichts passiert.
Am Mittwoch dieser Woche betritt Petr Kolr, tschechischer Botschafter in Schweden, die heimatliche Politbühne. Er habe seit eineinhalb Jahren gewußt, wer der Spender der 7,5 Millionen sei. Und nicht nur das: Er hätte den Namen dem damaligen Außenminister Zieleniec mitgeteilt, dieser habe mit Václav Klaus gesprochen. Von da an geht alles sehr schnell.
Der Spender, der frühere Tennisspieler Milan Srejber, outet sich selbst. Zieleniec bestätigt, daß er den Premier informiert habe, Klaus streitet dies ab. Das Ganze sei nur ein weiterer „unsauberer Schachzug“ des ehemaligen Parteifreundes. Klar ist, einer der beiden lügt. Das weiß auch Ivan Pilip, Finanzminister und als stellvertretender ODS-Vorsitzender ein Kronprinz von Klaus. Ganz in der Tradition des tschechischen Reformators Jan Hus fordert er „die Wahrheit“ und bietet seinen Rücktritt von allen Funktionen an. Mancher fragt sich, ob da nicht einer seine künftige Karriere plant.
Die Krone erreicht ihren tiefsten Stand seit der Krise im Frühjahr. Der Vorsitzende der Christdemokraten, eigentlich Koalitionspartner, fordert Klaus mehr als nur indirekt zum Rücktritt auf. Auch er ist ein Kandidat für den Sessel des Premiers. „Die ODS-Basis ist zunächst gegen, dann wieder für Klaus. Irgendwie müssen wir ja unser Geld kriegen.“
Irgendwie ja, doch schnell stellen die Journalisten Verbindungen zwischen dem Geschäftsmann Srejber und der Privatisierung des viertgrößten Stahlwerkes des Landes her. Dort war Srejber 1995 Miteigentümer. Doch den Vorwurf der unlauteren Privatisierung, der das Land vor seinem Eintritt in EU und Nato in Mißkredit bringen könnte, kann Klaus nicht ertragen. Nun geht er in die Offensive. Auf einem schnell einzuberufenden Parteitag werde die ODS-Spitze ihre Funktionen zur Disposition stellen. Doch keiner solle denken, er werde sich nicht wieder um den ODS-Vorsitz bewerben.
Die Frage, die alle jetzt bewegt, lautet: Will Zieleniec die Parteispendenaffäre benutzen, um mit Hilfe seines früheren Mitarbeiters, des Botschafters Petr Kolr, Klaus zu stürzen und dessen Ämter als Parteivorsitzender und Ministerpräsident zu übernehmen?
Ob Zieleniec den Kampf gegen Klaus gewinnen wird, ist ungewiß. Zwar lag der Außenminister in der Popularitätsskala stets vor dem Premier. Viele Parteimitglieder könnten ihn sich daher als Erneuerer der ODS gut vorstellen. Auch bleibt abzuwarten, wie die Öffentlichkeit auf diese inszenierte Form des Machtwechsels reagieren wird. Intrigen werden in Tschechien selten ganz aufgeklärt und bis zum Ende durchgeführt. Sollte Zieleniec Klaus wirklich stürzen, hätte er zum erstenmal diese „Tradition“ durchbrochen. Doch vielleicht erscheint auch Václav Havel auf der Bühne. Und weist die Handelnden zurück an ihre Ausgangspositionen. Denn mit moralischer Politik hat dies alles, so wird er argumentieren, nur wenig zu tun.
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