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Münster, die Einäugige unter den Blinden

Die Westfalenmetropole ist „Hauptstadt des Klimaschutzes 1997“, weil sie Energie spart und das Fahrradfahren erleichtert. Doch ein riesiges Stadionprojekt könnte die Errungenschaften gefährden  ■ Von Martin Scharfenberger

Münster ist die „Einäugige unter einer Anzahl von Blinden“. So kommentierte Thomas Kramer vom Umweltforum Münster die Auszeichnung der Stadt als „Hauptstadt des Klimaschutzes 1997“, die ihr Donnerstag abend von der Deutschen Umwelthilfe feierlich verliehen wurde. Immerhin ist Münster ein Beispiel, wie angesichts der zähen globalen Verhandlungen zum Klimaschutz auch auf lokaler Ebene durchaus etwas zu erreichen ist – auch wenn der lokale Klimaschutz in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt.

Die Westfalenmetropole Münster hat vor allem beim Energiesparen und umweltfreundlicher Verkehrsplanung Beispielhaftes geleistet. So modernisiert die Stadt gerade zwei Blockheizkraftwerke. Das kommt der Effizienz und den umliegenden Stadtteilen zugute. Sie werden nun besser mit umweltfreundlicher Fernwärme versorgt, und bei der Stromversorgung geht weniger Energie verloren als bisher.

Bessere Energieausbeute auch in Sachen Müll: Auf der Mülldeponie werden die methanhaltigen Deponie-Abgase eingesammelt und verwertet. In der Solartechnik etwa kann man zwar noch nicht mit Freiburg konkurrieren, aber auf 200 Dächern wurden schon Solarzellen installiert.

Nicht nur den Studierenden ist Münster als „Fahrradhauptstadt“ ein Begriff. Am Bahnhof wird gerade ein „Fahrradparkhaus“ für 3.000 Räder gebaut. Der „Umweltverbund“ aus Bus, Bahn und Rad klappt so reibungslos, daß vor Ort darüber wenig Aufhebens gemacht wird.

Münster war in den vergangenen Jahren immer oben dabei, wenn die Träger der Deutschen Umwelthilfe – der Deutsche Städtetag, der BUND, der Nabu und die Grüne Liga – den strengen Kriterienkatalog auswerteten. Damit die Bewerber für den Bundespreis für Klimaschutz nichts beschönigen können, werden die Angaben von den lokalen Gruppen der Verbände geprüft.

Bei der Preisverleihung forderte NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn „mehr Transparenz, mehr Teilhabe, verkürzte Wege und eine regionale Vermarktung“. Sie lobte die Anstrengungen der Bürger und Initiativen, die „Druck von unten“ machen. Doch bei allem Lob für Bürger, Rat und Verwaltung ist nicht zu übersehen, daß Frau Höhn mit einem Teil Münsters „im Clinch“ liegt. Dabei geht es um den „ECE PreußenPark“. „Park“ hört sich immer schön grün an, bedeutet aber diesmal das genaue Gegenteil. Der örtliche Fußballverein ist in jeder Hinsicht drittklassig, mit einer Tendenz nach unten. Der ECE, hinter dem der Otto-Versand aus Hamburg und die Deutsche Bank stehen, will der Stadt dennoch ein neues Stadion für 24.000 Zuschauer „schenken“. Wenn, ja wenn dazu ein riesiges Einkaufszentrum auf die grüne Wiese geklotzt wird. Eine große Koalition aus CDU, SPD und „Vereinsklüngel“ ist dafür. Der Mittelstand, die Kaufleute, die Grünen und viele andere sind dagegen.

Das Projekt demonstriert, wie schnell eine Stadt ihren Modellcharakter wieder verlieren kann: Massive Verkehrsströme zum Sport wie zum Einkaufen auf der Wiese würde den erreichten Klimaschutz wieder aufzehren. Von den gefährdeten Arbeitsplätzen in den Geschäften der Innenstadt ganz zu schweigen. So wie es derzeit aussieht, könnte das Projekt in dieser Form an Münster vorübergehen. Doch eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

Insgesamt hat sich aber seit dem Wechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün in Münster eine Menge für den Klimaschutz getan. Birgit Wildt vom Umweltamt kann verbuchen, daß seitdem beispielsweise bei der Planung von Bauprojekten ihre Stelle früher eingeschaltet wird. So wird ein Blockheizkraftwerk das Neubaugebiet Gievenbeck-Südwest von Beginn an mit Fernwärme versorgen. Die Häuser bekommen eine Wärmedämmung, die den Energieverbrauch um die Hälfte reduzieren wird. „Die wichtigsten Entscheidungen werden im Frühstadium getroffen“, sagt Wildt. „Später ist das nur schwer zu korrigieren.“

Trotz allem bleibt der Nahverkehr ein Reizthema. In Münster ist man seit Jahrzehnten auf das derzeitige Bussystem fixiert. Eine Münsterlandbahn als moderne Regio-Stadtbahn kommt nicht auf den Weg. Fachpolitiker waren zwar in Zürich und Karlsruhe, haben von da aber keine zündenden Inspirationen mitgenommen. Das Bussystem stößt an seine Grenzen, alle Buslinien führen immer noch durchs Zentrum: Doch die Münsteraner sind die täglichen unnötigen „Sightseeingtouren“ über den Prinzipalmarkt leid.

Doch wenn die Defizite „PreußenPark“ und Stadtbahn abgearbeitet sind, hat Münster gute Chancen, seine Spitzenposition gegen andere innovative Städte wie Freiburg oder Heidelberg zu behaupten.

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