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Kindesmord vor Gericht: Angeklagter hinter Glas

■ In Augsburg beginnt der Prozeß wegen Mordes an der siebenjährigen Natalie Astner

Augsburg (taz) – Es war ein schreckliches Verbrechen, das der 29jährige Kfz-Elektriker Armin S. am 20. September 1996 in der kleinen bayerischen Gemeinde Epfach bei Landsberg begangen hat. Am frühen Morgen fuhr der bereits wegen sexuellen Mißbrauchs vorbestrafte Mann mit dem Vorsatz los, sich an einem Kind zu vergehen. Das hat der mutmaßliche Täter in seinem Geständnis offenbart. Zu diesem Zweck packte er Nylonschnüre, Kondome und eine Strumpfhose, mit der er sich maskieren wollte, in eine Reisetasche und machte sich auf den Weg. Nur 50 Meter von ihrem Elternhaus entfernt entdeckte er, kurz vor acht Uhr, die siebenjährige Natalie Astner. Er zerrte das Mädchen in den Kofferraum eines zuvor gestohlenen Autos und fuhr mit ihr auf eine Wiese in der Nähe der Bundesstraße 17 bei Landsberg. Dort mißbrauchte er das Mädchen, wobei ihm die Maske verrutschte und das Mädchen für einen kurzen Moment seinen Peiniger sah. Daraufhin schlug dieser die Kleine bewußtlos und warf sie in den Lech, wo sie ertrank. Durch einen Hinweis aus der Bevölkerung konnte bereits einen Tag später der mutmaßliche Täter gefaßt werden.

Wenn jetzt vor der 8. Strafkammer des Landgerichts Augsburg unter Vorsitz von Richter Hans- Reiner Schultz der Prozeß gegen den Angeklagten Armin S. beginnt, dann geschieht dies vor dem Hintergrund einer ganzen Reihe von Ereignissen und Veränderungen, die dieser Fall mitbewirkt hat. Zwischenzeitlich ist das Sexualstrafrecht geändert worden. Schon zehn Wochen nach der Tat hatten Bürgerinitiativen bei der Bundestagspräsidentin 1,2 Millionen Unterschriften vorgelegt. Gegen den mutmaßlichen Mörder der kleinen Natalie wurden mehrfach Todesdrohungen laut, was dazu führte, daß S. in der Haftanstalt völlig von den anderen Häftlingen isoliert wurde. Im Sitzungssaal 201 des Landgerichts ist eine schußsichere Glaskabine für den Beschuldigten aufgebaut. Journalisten und Besucher müssen sich einer doppelten Leibesvisitation unterziehen. Vor dem Gericht wurden die Busbuchten für die Übertragungswagen von Rundfunk- und Fernsehanstalten geräumt. Eine Mahnwache hat angekündigt, zum Prozeßauftakt schwarze Luftballons steigen zu lassen. Sie sollen, so eine Sprecherin, daran erinnern, daß hier ein Kind gestorben ist. Derzeit stehe doch überall nur der Täter im Mittelpunkt. Das Geschehene müsse im Gedächtnis bleiben und dürfe nicht mit dem Urteil – das für den 10. Dezember erwartet wird – ad acta gelegt werden.

Während des Prozesses werden wohl auch viele Zuhörer aus Epfach im Gerichtssaal sitzen. In dem 500-Seelen-Dorf ist nichts mehr so, wie es einmal war. Mit großem Mißtrauen begegnet man Fremden, Autonummern auswärtiger Fahrzeuge werden notiert. Journalisten mag niemand mehr im Ort sehen. „Sicherlich ist der Druck der Öffentlichkeit enorm“, sagt Chefankläger Jörg Hillinger [s. Interview]. Die öffentliche Diskussion hat nach seiner Überzeugung die Opfer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Doch juristisch gesehen sei das Verfahren gar nicht so kompliziert. Die Kernfrage sei, ob der Täter zur Tatzeit vermindert schuldfähig war. Zwei Sachverständige sind zu dem Schluß gekommen, S. sei zur Tatzeit voll schuldfähig gewesen. Möglich ist, daß die Verteidigung ein weiteres Gutachten beantragen wird, was zur Verzögerung des Verfahrens führen würde. Klaus Wittmann

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