Raus aus der Isolation

■ Erneut hat sich die PDS in Ostberlin für einen Kandidaten aus dem Westen entschieden

Berlin (taz) – „Anders kommt die PDS nicht aus der eigenen Soße raus.“ PDS-Vorstandsmitglied André Brie war am Dienstag abend Erleichterung anzuhören, nachdem die Vertreter der Parteibasis im Ostberliner Wahlkreis Hohenschönhausen-Pankow-Weißensee den bisherigen Bundestagsabgeordneten Manfred Müller erneut als Direktkandidaten für die Bundestagswahl 1998 aufgestellt hatten. Der parteilose frühere Berlin-Chef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) hatte bei der Wahl 1994 als einziger Westdeutscher ein Direktmandat für die PDS errungen.

Damit verhalf Müller der PDS zum Einzug in den Bundestag, obwohl die Partei die Fünfprozenthürde verfehlte. Er wurde damit für die Parteispitze um Gregor Gysi und Lothar Bisky zum Symbol der Öffnung der PDS gegenüber den Wählern im Westen. Nachdem Müller innerparteilich wegen seiner DDR-kritischen Äußerungen unter Beschuß geraten war, hatte ein eher fundamentalistischer Teil der Basis Marianne Linke als Gegenkandidatin nominiert. Mit zehn zu 115 Stimmen unterlag sie Müller deutlich.

„Ich glaube nicht, daß Geschichte juristisch aufgearbeitet werden kann“, hatte sich die Agrarmeteorologin von Müller abgegrenzt, der die Politbüroprozesse für gerechtfertigt hält. Die Debatte um die beiden Bewerber wurde zur Auseinandersetzung über den Stil, mit dem die PDS ins Bundestagswahljahr geht.

„Sorry Manfred, obwohl du heute die bessere Rede gehalten hast – meine Stimme gehört Marianne Linke.“ Der junge Redner mit dem Irokesenschnitt warf Müller zu geringen Widerstand gegenüber dem neoliberalen Kurs der Bundesregierung vor. „Statt dessen arbeitete er hart an einem neuen Image – aus dem Gewerkschafter wurde ein Hobbyhistoriker“, sagte er unter Anspielung auf Müllers Position zur DDR. Gegenkandidatin Linke forderte in ihrer Rede: „Ich will, daß Schluß ist mit der Diskreditierung der ehemaligen DDR-Bevölkerung.“

Nach Müllers Ansicht geht es bei der nächsten Wahl für die PDS um einen Weg aus ihrer „selbstgewählten Isolation“. Seine Bewertung der Entwicklung fällt provokativ aus: „Manche meinen, es geht uns immer schlechter – das sehe ich ja nicht so“, sagte er der taz. Angesichts der Ängste im Westen gegenüber der PDS wirbt Müller für Verständnis: „Zu DDR-Zeiten sind wir Westberliner als Antikommunisten beschimpft worden – und ich sage immer: Wer hat uns denn dazu gemacht?“ pat