: Idealisten gegen Windkraft
Der Bundesverband Landschaftsschutz wettert gegen die Windkraft. Kontaktadresse ist eine Tochter des VIAG-Konzerns, die Post verschickt eine RWE-Tochter ■ Von Michael Franken
Köln (taz) – Thomas Mock hat einen vollen Terminkalender. Der Rechtsanwalt aus Bonn ist ein Fundi in Sachen Windenergie. Er nutzt jede Gelegenheit, um das Standardrepertoire des Bundesverbandes Landschaftsschutz (BLS) runterzuleiern. Windkraft bringe nichts für den Klimaschutz, der Ausbau der Windenergie bringe nichts anderes als eine „skrupellose Ausbeutung vieler Bürger“ durch wenige Betreiber, bis zu 20 Prozent Wertverlust für Immobilien und dann vor allem der krankmachende Lärm.
Anfang Dezember dann ein echter Höhepunkt. Gasthaus „Zur Post“ in Kaifenheim, eine kleine Ortschaft in der Nähe von Koblenz. Der CDU-Ortsverband hatte Mock geladen. Als Referent sollte er zum Thema „Windkraft – Nein danke?“ sprechen. Als ein Fernsehteam des Saarländischen Rundfunks auftauchte, ging Mock auf Tauchstation. Aufnahmen von seinem Vortrag waren nicht erwünscht. Das Kamerateam wurde kurzentschlossen vor die Tür gesetzt.
Und dann kamen die entscheidenden Argumente gegen Windkraft zum Vorschein. 100 Zuhörer konnten es kaum fassen. Deutschland sei zu dicht besiedelt. Windparks gehören nach Mocks Ansicht nach „Spanien, aber noch besser in die Sahara“. Da wird es spannend. „Reihenweise passieren sehr viele Unfälle“, klärt der Rechtsanwalt auf. Die Angst geht um im Saal. Wie wildgewordene Granaten würden Rotorblätter durch die Gegend blitzen, Menschen und Tiere gefährden. Und dann der Lärm. Das Leben an einer Autobahn sei gar nichts dagegen. „Der Lärmpegel ist in 600 Meter Entfernung lauter als bei einem Abstand von 300“, so Mock. Panik, Horror – niemand im Saal weiß, wie Mock auf diese Angaben kommt. Am schlimmsten dieser „monotone Lärm – wub, wub, wub, wub“. Nervosität macht sich bei den 100 Versammelten im Saal breit. „Und die monotonen Schatten – wisch, wisch, wisch“. Und weg mit der Windkraft. Eine Stunde geballte und durchgequirlte BLS-Standardargumente. Zielrichtung: Bauch, Panik, Stimmungsmache.
Viele Zuhörer, darunter zahlreiche Mitglieder des Vereins „Eifelwind“, können es nicht fassen. „Der lügt wie gedruckt“, erklärt Hermann-Josef Philipps. Erste Frage an Mock aus dem Saal: „Von wem werden Sie eigentlich bezahlt?“ Die Antwort von Mock kommt prompt. „Ich bin Idealist. Es lohnt sich eben, für bestimmte Dinge zu kämpfen.“ Alles reines Freizeitvergnügen? Nach internen Unterlagen des Bundesverbands Landschaftsschutz, die der taz vorliegen, ergibt sich vielleicht eine andere Erklärung für Mocks Anti- windkraftkurs. So heißt es in den BLS-Papieren: „Der BLS hat beratende Juristen, die rechtliche Seiten abklären, Hilfesuchenden zur Seite stehen.“ Auf der Rückseite taucht bei den Kontaktadressen unter dem Stichwort „Rechtsfragen“ der Name von Thomas Mock auf. Erreichbar „di 0228-55211966, Fax: 0228-55211989“. Und wenn Mock mit Empfehlung des BLS gegen geplante Windenergieprojekte Prozesse führt, dann taucht in den Gerichtsunterlagen als Adresse die Georg-von-Boeselager-Straße 25 in Bonn auf. Eigenartig, daß keine Anwaltskanzlei zu finden ist. Dafür aber die Hauptverwaltung der VAW Aluminium AG – ein Tochterunternehmen der VIAG- Gruppe.
Mock bestreitet sämtliche Zusammenhänge zwischen seinem Treiben gegen Windenergie und seinem Job als Rechtsanwalt bei der VAW. Zur Erinnerung: Im Stromparadies Deutschland haben RWE, VEBA und VIAG das Sagen. Zum VIAG-Konzern gehört nicht nur die VAW, dazu zählen auch die Bayernwerk AG, Isarwerk GmbH, Innwerk AG und das Atomkraftwerk Gundremmingen. Rund 80 Prozent der diesjährigen Gewinne macht der VIAG-Konzern allein mit dem Stromgeschäft des Bayernwerks.
Mock kann sich natürlich – wenn er als Referent auftaucht – nicht daran erinnern, daß VIAG- Aufsichtsratschef Jochen Holzer noch vor zwei Jahren zu Windkraft und Stromeinspeisegesetz erklärte: „Das Gesetz wurde von Politikern in gefälligem Opportunismus verabschiedet. Ich bin gegen Dauersubventionen zu Lasten der Stromkunden.“ Heute hört man von Holzer wenig, dafür um so mehr vom BLS. Am eifrigsten bei der Sache ist Thomas Mock, der ein Interview in der Georg-von- Boeselager-Straße ablehnte. „Nicht in den Räumen meines Arbeitgebers“, erklärte Mock.
Für Ralf Bischof, Leiter des Bonner Büros des Bundesverbands WindEnergie (BWE) steht schon lange fest, daß der BLS „das Trojanische Pferd der Stromkonzerne ist“. Ausgerechnet in der Eifel, wo zwischen Bitburg und Prüm schon 15 Prozent des Strombedarfs aus Windkonvertern stammen, tauchen regelmäßig Prospekte des BLS auf. So auch bei Familie Heck. Die wundert sich weniger über den Inhalt, der Absender überraschte. Abgestempelt war der DIN-A4-Bogen nicht im norddeutschen Emmelsbüll, wo der BLS offiziell residiert, sondern bei der Hochtief-Zentrale Rheinland in Köln. „Ist doch alles schon merkwürdig. Da wird Material gegen die Windenergie vom BLS verschickt, auf Kosten der Firma Hochtief. Vielleicht ergibt sich eine Erklärung dafür, wenn man weiß, daß Hochtief eine Tochter des Stromriesen RWE ist“, meint Eifelwind-Mitglied Hermann-Josef Philipps.
In der Essener Hochtief-Zentrale hat man nur eine Erklärung für die BLS-Post-Connection. Es handele sich um die private Post eines Mitarbeiters, die er in die Geschäftspost gelegt habe. Dann sei das über die Poststelle freigestempelt und verschickt worden.
Der Bundestagsabgeordnete und Präsident von Eurosolar, Hermann Scheer, glaubt nicht an die Geschichte mit der Privatpost. Für ihn ist der BLS so etwas wie eine „fünfte Kolonne“ des Energiekonzerns. Landschaftsschutz diene dem BLS nur als Alibi. „In den USA sind mehrfach Organisationen erschienen, die sich einen Umweltnamen gegeben haben und bei denen doch die jetzigen Energieinteressen dahinterstecken“, meint Scheer.
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