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Das PortraitTolerant, höflich und politisch

■ Der protestierende Student

Der protestierende Student (und die protestierende Studentin) von heute ist ein anonymes Wesen. Medial präsente Führungsfiguren gibt es nicht – und wenn, dann sind es ältere Semester, die jetzt auf der Welle eines Protestes schwimmen, der nicht der ihre ist. Ihm schwant, daß seine Generation alle Versäumnisse der Hochschulpolitik in den vergangenen Jahrzehnten ausbaden soll. Er wird nicht nur überfüllte Seminare, fehlende Bücher und lange Warteschlangen weiter ertragen müssen. Obendrein, so fürchtet er, wird er Studiengebühren zu zahlen und rigide Regelstudienzeiten einzuhalten haben.

Dabei weiß er, daß der Ruf nach schnellem Studium wenig Sinn macht angesichts eines Arbeitsmarkts, auf dem ein Uni-Diplom allein nichts, Berufserfahrung dagegen sehr viel zählt. Daß sich Eltern, Politiker und manche Professoren solchen Argumenten verschließen, zeigt ihm einmal mehr, daß ihm die Generation des Wirtschaftswunders nichts mehr zu sagen hat. Zu unterschiedlich sind die Lebenswelten: Die 50- bis 60jährigen haben ihr ganzes Berufsleben in gesicherter Stellung zugebracht, nicht selten im öffentlichen Dienst.

Zur neoliberalen Variante des Kapitalismus hat er deshalb ein distanziertes Verhältnis. Doch ironischerweise entspricht seine Forderung nach umfassender Bildung statt bloßer Ausbildung gerade den Anforderungen eines „flexibilisierten“ Arbeitsmarkts. Anders als einst dem Achtundsechziger gilt ihm die Uni nicht mehr als privilegierte Institution, die der Gesellschaft den Weg aus ihrer Unmündigkeit weist.

Eher sucht er im Streik das Gruppenerlebnis, das ihm die Uni sonst versagt. Daß sein Protest spontan und spaßorientiert ist, trägt ihm jedoch den Vorwurf ein, seine Demos seien bloße Varianten der Love Parade, die manch biederer Altlinke für unpolitisch hält.

Bei aller Abneigung gegen Führungsfiguren liebt er die Organisation. Vor allem hat er es auf die Medien abgesehen, deren Faxgeräte er unentwegt mit Pressemitteilungen versorgt. Ihre Berichte heftet er zwecks Motivation an die Uni-Wände.

Aber nicht nur den Journalisten, überhaupt allen Mitmenschen tritt er höflich und tolerant gegenüber. Und wenn er doch einmal mit Eiern wirft, wie jüngst auf den Berliner Wissenschaftssenator, dann sind sie wenigstens nicht faul, sondern frisch. Ralph Bollmann

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