: Sprechstunde in Rostock
■ In Hamburg herrscht Mangel an Umweltmedizinern. Einem Facharzt wird dennoch die Niederlassung verweigert
„Die wollen uns zumuten, nach Rostock zu fahren, wenn wir einen Arzt brauchen“, macht Eleonore Heilmann von der Interessengemeinschaft der Holzschutzmittelgeschädigten ihrer Empörung Luft. Die Patientin, die obendrein an einer Muskelschwäche leidet, kann das Haus nur mit einer Maske verlassen und wegen eines Anfallsleidens keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Der Hintergrund ihrer Klage ist ein Mangel an qualifizierten Umweltmedizinern in der Hansestadt.
„Die Verbraucherzentrale selbst hat bisher keine Untersuchungen über den Bereich Umweltmedizin angestellt“, sagt Verbraucherschützer Christoph Kranich; „wir haben aber keinen Zweifel daran, daß die Versorgung mangelhaft ist.“Nur rund 35 Ärzte arbeiteten in Hamburg an der Schnittstelle zwischen Chemie und Medizin. „Ihre Praxen sind rar“, so Kranich. Und: Die meisten Allgemeinmediziner und Fachärzte hätten keine Vorstellung von dem Krankheitsbild.
Holzschutzmittelgeschädigte leiden vor allem unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Erkrankungen des zerebralen Nervensystems. Sie stoßen oft auf Unverständnis, weil sich nicht exakt ermitteln läßt, woher ihre Symptome kommen. Eleonore Heilmann leidet unter Durchblutungsstörungen im Gehirn und führt das auf die Schimmelpilze in ihrer ehemaligen Wohnung zurück. Zudem hatte der Vermieter die Wände des Treppenhauses mit einem giftigen Granulat spritzen lassen. „Die guten Ärzte sind völlig überlaufen oder nehmen erst gar keine neuen Patienten mehr auf“, weiß sie. „Wenn Sie zu einem Hals-Nasen-Ohrenarzt gehen, kann es ihnen passieren, daß der nicht weiß, was Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind.“
Ihre Selbsthilfegruppe setzt sich daher für einen Arzt vom Diagnostik- und Therapiezentrum für umweltmedizinische Erkrankungen in Rostock ein, dem die Ärztekammer untersagt hat, in der Hansestadt eine Praxis zu eröffnen. Er hatte zuletzt auch in Hamburg Patienten betreut, die unter Umweltgiften leiden. Seine Patienten sollen jetzt nach Rostock fahren.
„Eine Zweitniederlassung widerspricht der ärztlichen Berufsordnung“, sagt der Geschäftsführer der Ärztekammer, Klaus-Heinrich Damm. „Wir haben außerdem keinerlei Anzeichen für eine Unterversorgung in dem Bereich.“Die Zusatzbezeichnung „Umweltmediziner“wird von der Kammer nach fünf Jahren Berufserfahrung in dieser Sparte und einem entsprechenden Kurs vergeben. Da zur Zeit rund 80 Anträge vorliegen, dürfte sich die Zahl der Umweltärzte in Hamburg demnächst erhöhen.
Lisa Schönemann
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