■ Querspalte: Keine Kanzlerin für Deutschland
Ungewöhnlich warm ist dieser Winter, und bald schon werden unsere Hunde auf Krokusse kacken, statt Schnee gelb zu pissen. Gut so! Dann ist Frühling, und dann, jetzt schnallen Sie sich an, wird die Kardinalfrage geklärt. Nicht geklärt werden muß indessen die Kandidatinnenfrage, keine Frage, wie Heide Simonis in „Boulevard Sabine am Abend“, S. Christiansens toller neuer Schnarch-im-Turm-Sendung, am Sonntag abend verkündete: „Das hält die deutsche Männlichkeit nicht aus.“ Keine Kanzlerin, wer hätte das gedacht.
Die Gazette der deutschen Männlichkeit, die Bild-Zeitung klärt anderntags auf Seite 2 den Sachverhalt (während auf Seite 1 die nackte Rita, „die so gern Marillen-Knödel ißt“, die deutsche Männlichkeit aufhält): Powergirlies wie Birgit Breuel, Regine Hildebrandt, Renate Schmidt, Barbara Eligmann und immer gerne auch Britta Steilmann dürfen Sensationelles ausrufen: Eine Kanzlerin, das ginge theoretisch ganz gewiß! Dabei, niemand würde diesem Expertinnenteam anderes unterstellen, „geht's nur um Kompetenz“ (Steilmann), und verhindert wird ohnehin wieder alles von „unsicheren Männern“ (Eligmann), obschon doch Frauen, das weiß keine besser als Birgit Breuel, „teamfähiger und lösungsorientierter“ sind. Rita Süssmuth (FDP, die bestimmt auch gern Marillen-Knödel ißt) ficht schon die Fragestellung an, die nämlich „spricht doch Bände“.
Was aber sprechen die Männer, die deutsche Männlichkeit selbst? Die wurde gar nicht gefragt. Das ist so wie eine repräsentative Anfrage bei Herrn Westerwelle zum Fortbestand der FDP. Oder wie wenn man Bild-Leser Willi Plesetz aus Reichenbach 20 Zentimeter unter der Frauenumfrage zur Kurdenflucht pointiert kommentieren läßt: „Wie wollen die Kurden einen Staat bilden, wenn sie alle abhauen?“ Wie soll die Männlichkeit etwas nicht aushalten, wenn nur die Weiblichkeit wohlfeil schwadronieren darf? Heide Simonis, was haben Sie getan? Sprechen Sie lösungsorientierte Bände, jetzt! Benjamin v. Stuckrad-Barre
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