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Das lukrative Firmengeflecht des Rainer Knigge

■ Ganz legal waren die Geschäfte des heutigen FHTW-Präsidenten Rainer Knigge. Aber auch die Senatsarbeitsverwaltung befand sie als moralisch nicht ganz unbedenklich. Der Arbeitsausschuß berät a

Als Unternehmer bietet Professor Dr. Rainer Knigge seinen StudentInnen ein Lehrbeispiel der besonderen Art. Der 54jährige Präsident der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) hat ihnen vorgemacht, wie man als Wirtschaftswissenschaftler nebenberuflich ein verschachteltes Firmenimperium aufbaut und öffentliche Geldquellen anzapft. Ganz legal, versteht sich.

1991 war Knigge nicht nur Gesellschafter von vier Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, die mit staatlichen Geldern ABM-Kräfte beschäftigten, sondern in einer der Gesellschaften, der ITW-BQG, auch als unbezahlter Geschäftsführer tätig. In dieser Funktion vergab er Aufträge an zwei private Firmen, an denen er die Hälfte der Gesellschafteranteile hielt, somit war er am Gewinn der Firmen beteiligt.

In den Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften wurden abgewickelte Wissenschaftler der Hochschule für Ökonomie (HfÖ) und der Akademie der Wissenschaften für neue Aufgaben qualifiziert. Die ITW-BQG sollte einen Teil der Wirtschaftswissenschaftler der HfÖ in die spätere FHTW integrieren. Die Doppelfunktion Knigges, der seit Herbst 1991 sowohl Geschäftsführer der ITW-BQG als auch Gründungs- Prorektor des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften war, hatte Knigge selbst mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft abgestimmt. Der Senatsarbeitsverwaltung, in deren Auftrag die Beschäftigungsgesellschaften entstanden, blieb das Firmenkonglomerat Knigges jedoch zunächst verborgen.

Wie aus dem Rechnungshofbericht hervorgeht, erteilten die BQGs den beiden 50prozentigen Knigge-Firmen Concept Wissenschaftliche Dienstleistungen GmbH und Mavvit Wirtschafts- und Technologieberatung GmbH zwischen 1991 und 1995 Aufträge in Höhe von 1,53 Millionen Mark. Zwei weitere Firmen, die LSV GmbH und die ZIM GmbH, an denen Knigge beteiligt war, erhielten von den vier BQGs im selben Zeitraum Aufträge über 2,68 Millionen Mark.

Der Rechnungshof bemängelte dieses lukrative Firmengeflecht: „Für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen ohne Wettbewerb an einige wenige Auftragnehmer gibt es außer der personellen Verflechtung keine Erklärung.“

Im Herbst 1992 fiel der zuständigen Servicegesellschaft SPI auf, daß die Anschrift der Concept GmbH mit Knigges Privatadresse in Lichterfelde identisch war. Geschäftsführerin der Concept GmbH war Knigges Ehefrau, Helga Knigge-Illner, die hauptberuflich als Psychologin an der Zentralen Studienberatung der Freien Universität tätig ist. Die Geschäftspost der Knigge-Firma unterschrieb sie stets mit ihrem Mädchennamen Illner, so daß für Außenstehende eine Verbindung der Firma zu ihrem Ehemann nicht ersichtlich war.

Eine Überprüfung der Verflechtungen durch das SPI und die Senatsverwaltung ergab jedoch, daß diese juristisch, gesellschaftsrechtlich und förderrechtlich nicht zu beanstanden waren, erklärte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Beate Moser, gegenüber der taz. An der moralischen Bewertung läßt Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) in einem Bericht an die Abgeordneten des Arbeitsausschusses allerdings keinen Zweifel: „Die moralischen Implikationen einer solchen Konstruktion“ seien „nicht gebilligt“ worden.

Weiter heißt es: „Es bestand also ab 1993 die Schwierigkeit, die unerwünschten Nebeneffekte dieses Konstrukts zu beseitigen, ohne dadurch die an sich erfolgreiche Arbeit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften zu gefährden.“ Man behalf sich damit, in allen Gesellschaften die Zahl der ABM-Kräfte zu reduzieren. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Senatsverwaltung nur die Spitze des Eisbergs bekannt. Den vollen Umfang der geschäftlichen Verbindungen des Firmengeflechts erfuhr sie erst aus dem im September 1997 fertiggestellten Rechnungshofbericht.

Das Knigge-Konglomerat wurde seit seinem Bekanntwerden 1992 langsam entflochten. 1992 trennte sich Knigge von Anteilen der LSV GmbH, 1993 von Anteilen der ZIM GmbH und der GWA GmbH. Seit 1994 versuchte er, seine Gesellschafteranteile an den Beschäftigungsgesellschaften abzustoßen, was mangels Interessenten jedoch erst 1996 gelang. Die Geschäftsführung der ITW-BQG legte Knigge im Dezember 1994 nieder. Gegenüber der taz erklärte Knigge, er sei von der Senatsverwaltung für Arbeit „nie dazu gedrängt worden“, sich aus den Gesellschaften zurückzuziehen. Zu diesem Schritt habe er sich entschlossen, als er im Oktober 1994 nach dem überraschenden Rücktritt von FHTW-Präsident Jürgen Tippe dessen Nachfolger wurde.

Seine berufliche Planung sei 1991 eine ganz andere gewesen, so Knigge, der sich zu Unrecht angeprangert fühlt. Damals habe er geplant, 1993 aus der FHTW auszuscheiden und in die Privatwirtschaft zu gehen. Die Concept GmbH habe nicht nur für die Beschäftigungsgesellschaften gearbeitet, sondern auch für große Aktiengesellschaften Schulungsprogramme durchgeführt. Die Firma habe damals zwischen sechs und zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Die Mavvit GmbH, die sich derzeit in der Löschung befinde, habe damals drei Mitarbeiter gehabt.

Der Asta der FHTW fordert indessen wegen der damaligen unternehmerischen Aktivitäten des Rainer Knigge die Beurlaubung des FHTW-Präsidenten. „Der Mann ist untragbar“, befindet Asta-Vertreter Christian Kaack. Zumal der Rechnungshofbericht auch an der Geschäftspraxis der ITW-BQG einiges auszusetzen hat. So fehlten die Jahresabschlüsse der ITW-BQG für 1991 und 1994. Sie wurden von der Servicegesellschaft SPI erst angefordert, nachdem der Rechnungshof dies anmahnte. Ob vor der Auftragsvergabe vorschriftsgemäß Preisvergleiche eingeholt wurden, wie Knigge angibt, ist nirgendwo schriftlich fixiert. Außerdem setzten die Gesellschafter der ITW- BQG das vom Senat gewünschte Vier-Augen-Prinzip außer Kraft, indem sie jedem der beiden Geschäftsführer die Alleinvertretungsbefugnis erteilten. Eigenartig ist auch, daß der Rechnungshof „keine Hinweise über geschäftsführerrelevante Tätigkeiten“ des bezahlten Geschäftsführers finden konnte. „An allen wesentlichen Geschäftsvorfällen“ sei ausschließlich Knigge beteiligt gewesen.

„Grauzonen“ bei der Abrechnung

Auch bei der AUF-Beschäftigungsgesellschaft, an der Knigge zwei Prozent der Gesellschafteranteile hielt, gab es „Grauzonen“, wie Knigge gegenüber der taz einräumte. In der AUF-BQG forschten 150 abgewickelte ChemikerInnen an marktfähigen Produkten. Für eine spätere Ausgründung wurde die AUF-Analytik GmbH gegründet, an der wiederum die Knigge-Firma Mavvit GmbH zu 49 Prozent beteiligt war. Knigge bestätigte, daß einige Aufträge (wie z.B. chemische Analysen) von ABM-Kräften der AUF-BQG bearbeitet, aber über die AUF- GmbH verrechnet worden seien. Dies sei in der Übergangsphase der Ausgründung „unvermeidbar“ gewesen. Gleichwohl handelt es sich hierbei um einen Verstoß gegen Förderrichtlinien. Die Ausgründung scheiterte allerdings, die AUF-Analytik GmbH wurde liquidiert und die AUF-BQG aufgelöst. „Wenn die Vermarktung der Produkte damals geklappt hätte, wäre ich heute Millionär“, so Knigge.

Muß man an einen FHTW-Präsidenten höhere moralische Maßstäbe anlegen als an einen beliebigen Unternehmer? Der FHTW- Asta meint ja. Auch eine Gruppe kritischer ProfessorInnen konfrontierte Knigge bei einer Sitzung des Akademischen Senats im November mit einem Fragenkatalog.

Zu einer Beurlaubung Knigges sieht Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) indes keinen Anlaß. Aus dem Bericht des Rechnungshofes ergebe sich kein disziplinarrechtlich relevanter Sachverhalt, sagte seine Sprecherin Kerstin Schneider.

Ob Knigge, dessen Amtszeit im September 1998 endet, erneut kandidiert, ist aber nicht ausgemacht. „Ich denke noch darüber nach“, sagte er der taz. Falls er antritt, wird er mit mindestens drei Gegenkandidaten rechnen müssen.

Daß das Knigge-Firmengeflecht überhaupt aufgedeckt werden konnte, ist der Hartnäckigkeit der beiden Abgeordneten Sibyll Klotz (Bündnisgrüne) und Carola Freundl (PDS) zu verdanken, die die Einschaltung des Rechnungshofes betrieben.

Doch alle nötigen Konsequenzen hat die Senatsverwaltung für Arbeit noch nicht gezogen: Zwar kontrollieren die Servicegesellschaften die Verwendung der Mittel inzwischen schärfer, doch das Wirtschaften in die eigene Tasche ist nicht ganz unterbunden worden. Wer von der Senatsverwaltung mit öffentlichen Geldern gefördert wird, kann nach wie vor Aufträge an Unternehmen vergeben, zu denen gesellschaftsrechtliche oder persönliche Verbindungen bestehen. Heute muß dies lediglich von den Servicegesellschaften vorab genehmigt werden. Dorothee Winden

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