: Opel-Belegschaft vorerst gesichert
Vertrag schreibt fest: Fünf Jahre keine Kündigungen in Deutschland. Rest Europas bleibt gefährdet ■ Aus Rüsselsheim Klaus-Peter Klingelschmitt
„Uns ist kein Unternehmen in Deutschland bekannt, in dem den Beschäftigten eine ähnlich lange Garantie auf Weiterbeschäftigung vertraglich zugesichert wird.“ Zufrieden kommentierte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Adam Opel AG in Deutschland, Rudolf Müller, den neuen Standortsicherungsvertrag II. Müller hat den Vertrag gestern in Rüsselsheim zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der AG, David J. Herman, unterzeichnet. Damit werden betriebsbedingte Kündigungen an den Standorten Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern bis Ende 2002 ausgeschlossen.
Es sei zwar kein Sieg auf der ganzen Linie. „Aber auch ganz bestimmt keine Niederlage“, meint Müller. Opel garantiert auch die Übernahme aller Auszubildenden in den nächsten fünf Jahren; allerdings ohne Beschäftigungsgarantie im erlernten Beruf.
Schlucken müssen die Arbeitnehmer dafür den permanenten „sozialverträglichen“ Abbau von Arbeitsplätzen vor allem im Stammwerk Rüsselsheim. Rund tausend Stellen in der Produktion sollen alleine 1998 über eine attraktive Vorruhestandsregelung für Arbeitnehmer des Jahrgangs 1940 und durch Altersteilzeitregelungen eingespart werden. Am Ende der Laufzeit des Vertrages dürften in Rüsselsheim rund dreitausend bis viertausend Arbeitnehmer weniger auf den Lohn- und Gehaltslisten stehen, prognostizierte Müller. „Um dies zu verhindern, reichten unsere Möglichkeiten als Betriebsräte leider nicht aus.“
Dazu kommen noch Einschnitte beim Lohnzuwachs um exakt 1,25 Prozentpunkte pro Jahr. Für das Tarifjahr 1998 heißt das konkret: Statt dem tariflich vereinbarten Lohnzuwachs von 2,5 Prozent in der Metall- und Elektroindustrie gibt's bei Opel nur die Hälfte. Bis 2002 könnten so rund 5 Prozent an Lohnzuwachs eingespart werden, hofft David J. Herman. Schon 1 Prozent weniger pro Jahr entlaste das Unternehmen bei aktuell rund 44.000 Beschäftigten um etwa 40 Millionen Mark.
Das für Herman „europaweit vorbildliche“ Produktions- und Montagewerk von Opel in Eisenach ist von den Bestimmungen des Standortsicherungsvertrages nicht betroffen. Dort sollen Arbeitsplätze nicht abgebaut, sondern aufgestockt werden: 1998 von 1.920 auf 1.970.
Für die Betriebsräte ist mit dem Vertrag auch die sogenannte Template-Studie einer Beraterfirma vom Verhandlungstisch, in der Opel und vor allem der Mutter General Motors (GM) in Europa die Konzentration auf die Kerngeschäfte und, damit verbunden, den großflächigen Abbau von Arbeitsplätzen vor allem in der Produktion empfohlen wurde. Gegen diese Studie hatte der Betriebsrat in Rüsselsheim eine einstweilige Verfügung erwirkt.
Noch nicht zu den Akten gelegt werden könne dagegen die Ankündigung des Präsidenten der GM-International-Organisation, Louis Hughes, in den kommenden Jahren in Europa 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze bei Opel abbauen zu wollen. Nachdem GM den Standortsicherungsvertrag für Deutschland akzeptiert habe, wie David J. Herman berichtete, könnten nun Arbeitsplätze bei Opel in anderen europäischen Ländern bedroht sein, befürchteten Müller und sein Stellvertreter Klaus Franz. Müller kündigte eine europäische Opel-Betriebsrätekonferenz schon für den Februar an.
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