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Wer raucht hier Tannen?

Zigaretten ohne Nikotin auf dem Markt. Reaktionen: Zum Abgewöhnen. Schmeckt nach nichts plus Waldboden  ■ Von Miguel Hoeltje

Eine Zigarette ohne Nikotin und Tabak – warum, um alles in der Welt, sollte man so etwas rauchen? Um eben bald nicht mehr zu rauchen, verrät das Werbungs-Faltblatt des Herstellers ARKO Pharma: „Die Kräuterzigarette NTB erlaubt eine langsame Entwöhnung, welche psychologisch leichter verkraftet wird als ein plötzliches Aufhören des Rauchens.“Außerdem schmecke sie nach Marihuana, hieß es in Pressevorberichten.

Klasse, auf in die Apotheke, denn hier wird „NTB“gehandelt. Die Zigarette gilt offiziell als Nahrungsergänzungsmittel. Der erste Beschaffungs-Versuch scheitert. „Ich habe die auch probiert und fand sie widerlich“, erklärt die Apothekerin. „Gehen Sie mal zum Jungfernstieg, bisher werden die nur da verkauft.“Sechs Mark neunzig kostet dort das braun-grüne Soft-Pack mit französischer Beschriftung. „Ja, die läuft sehr gut“, erklärt der Apotheker, „einige Kunden sind komplett darauf umgestiegen und kaufen sie jetzt stangenweise.“Natürlich nur, um mit dem Rauchen aufzuhören.

Auf der Suche nach einer ersten Testperson fällt die Wahl auf den Freund meiner Mitbewohnerin. Denn der ist jemand, der den eigentlichen Sinn des Essens darin sieht, „anschließend eine zu rauchen“. „Sieht eigentlich ganz normal aus“, gibt er bei Aushändigung der Testzigarette zu Protokoll.

Dann ein erster Zug. „Bähh, was ist das denn, Thymian?“Verwirrter Blick auf die so gewohnt aussehende Zigarette, dann ein zweiter Zug. „Irgendwie ein bißchen orientalisch würzig. Zumindest der Geruch, der Geschmack ist ziemlich undefinierbar und nicht besonders gut.“Ein dritter und vierter Zug folgen, begleitet von einer stetigen Verfinsterung der Miene. „Extrem unbefriedigend, kratzt nicht im Hals. Mit Rauchen hat das nix zu tun. Kann ich die jetzt ausmachen?“Nicht einmal halb aufgeraucht wandert seine erste „NTB“in den Aschenbecher. Zu einem zweiten Versuch war er auch nach einer längeren Pause nicht zu überreden.

Die nächsten Testpersonen: die taz-Redaktion. Starke Raucher sind hier überrepräsentiert, also müßte sich doch wenigstens einer finden lassen, der der Zigarette aus Haselnuß, Waldmeister, Papaya, Pfefferminz und Eukalyptus etwas abgewinnen kann. Aber auch diesmal der bekannte „Halbe-Tassen-Effekt“: Die „Cigarette de plantes a fumer“wird sowohl frühzeitig als auch leicht angewidert ausgedrückt und durch den gewohnten Standard ersetzt. Die „Verbrennt ihr hier Tannenbäume?“-Frage erschien angesichts der Tatsache, daß gleich drei der Kräuter-Stengel auf einmal qualmten, durchaus gerechtfertigt.

Fazit: „NTB“riecht unangezündet nach schwarzem Tee, schmeckt nach nichts plus Waldboden und verströmt qualmend einen Hauch von Weihnachten bis hin zu dem bedrängenden Gefühl, „daß hier etwas kokelt“. Eigentlich schon genug Grund zum Abgewöhnen.

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