: „Die gleichen Standards ansetzen“
■ Abdel Monem Said, Chef des Kairoer Zentrums für Strategische Studien, über den Konflikt mit dem Irak und den gefährdeten Nahost-Friedensprozeß
taz: US-Außenministerin Madeleine Albright ist wieder abgeflogen. Wie geht es weiter?
Abdel Monem Said: Es ist wahrscheinlicher, daß Saddam Hussein nachgibt, als daß die Situation eskaliert. Saddam weiß, daß Frankreich, Rußland und auch einige arabischen Länder sich auf die Seite der USA schlagen werden, wenn er nicht nachgibt. Er benutzt die Krise, um seine Position in der Frage des „Öl für Nahrungsmittel“-Geschäfts zu verbessern und einen Fahrplan für ein Ende der Sanktionen zu erzwingen. Nebenbei gewinnt er wieder mehr Popularität in der arabischen Welt, wenn er die Krise mit dem arabisch-israelischen Konflikt in Zusammenhang bringt.
Nun versucht auch die arabische Liga zu vermitteln. Gibt das Saddam vielleicht eher die Möglichkeit nachzugeben, ohne sein Gesicht zu verlieren?
Es gibt ihm mehr Optionen. Eine davon ist Rußland. Als Veto- Macht im UN-Sicherheitsrat kann Rußland sicherlich auch die Position der USA beeinflussen. Die Arabische Liga ist eine andere Möglichkeit, die vielleicht Saddams Position in der arabischen Welt stärkt. Das würde auch die gesamte arabische Seite stärken. Falls die Liga und Saddam ins Geschäft kommen, würde das zeigen, daß die arabische Welt fähig ist, auf diplomatischem Wege ihre Ziele zu erreichen, ohne die Hilfe von auswärtigen Mächten.
Gibt es denn nach der Abreise Albrights so etwas wie eine gemeinsame arabische Position?
Alle wollen, daß Saddam Hussein die UN-Auflagen befolgt, aber gleichzeitig stimmen sie einer militärischen Operation erst zu, wenn alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft sind. In der Interpretation, was das bedeutet, beginnen die Unterschiede. Für Ägypten gibt es ein offenes Ende: Wenn eine diplomatische Initiative scheitert, wird die nächste gestartet. Saudi-Arabien dagegen könnte irgendwann in Abstimmung mit den USA entscheiden, daß die diplomatischen Mittel ausgeschöpft sind. Aber auch die saudische Geduld ist sicherlich größer als die amerikanische.
Von arabischer Seite wird immer wieder gewarnt, ein Militärschlag erhöhe die Spannungen in der gesamten Region und schaffe mehr Probleme, als er löse.
Das ist sicher richtig. Es gibt genug politische Kräfte, die dem Westen immer wieder vorwerfen, mit zweierlei Maß zu messen. In einer Zeit, da der Nahost-Friedensprozeß kurz vor dem Kollaps ist, und dennoch keinerlei Druck auf Netanjahu ausgeübt wird, haben die radikalen Kräfte in der Region sehr gute Argumente. Das hat in jedem Fall etwas Destabilisierendes. Außerdem haben wir keine Ahnung, wohin ein Militärschlag führen soll, ganz besonders, wenn er nur aus Luftangriffen besteht. Dann bleibt Saddam an der Macht, und nicht er zahlt den Preis, sondern die irakische Bevölkerung. Solange sich die USA kein Ziel setzen, daß erreichbar ist, solange werden sie enttäuscht werden.
Wenn sie Saddam aber liquidieren, dann weiß niemand, wie die Zukunft des Irak aussieht: Dort gibt es 20 Millionen Menschen, relativ viele Waffen und wahrscheinlich Reste von Massenvernichtungswaffen. Damit würde der Irak zum großen schwarzen Loch mitten im Nahen Osten.
Wie geht Israel in der ganzen Rechnung auf?
Die Frage ist, ob man alle verbindlichen Verträge durchsetzt, wie das Oslo-Abkommen, oder ob die internationale Gemeinschaft das nur selektiv macht. Man sollte bei allen die gleichen Standards ansetzen. Es gibt kein bißchen Druck gegenüber Netanjahu, während der Irak sich einem Maximum an Druck gegenübersieht. Interview: Karim El Gawhary
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