piwik no script img

Neu: Arbeitsminister erzählt Märchen

■ Kinder, freut euch! Norbert Blüm hat seine erste CD in Hamburg vorgestellt

Wenn er im Herbst nach der Bundestagswahl seinen Job als Arbeits- und Sozialminister verloren haben sollte, wird das für ihn kein Problem. Norbert Blüm wird einfach weiter machen mit dem, was er – vermeintlich – am besten kann: Märchen erzählen. Statt Arbeitnehmern dann eben Kindern.

Eine Könnensprobe gab der Minister gestern im Literaturhaus, wo er seine erste Märchen-CD Die Glücksmargerite (Karussel) nach dem gleichnamigen Buch (Bertelsmann) vorstellte. Nachdem die Großen ihm seine Flunkereien („Die Rente ist sicher“) schon lange nicht mehr glauben, hat er die Geschichten aufgeschrieben, die er abends seinen Kleinen vorträgt. Wenigstens für diese Stories gilt, daß sie wahrhaftig sind, weil sie nicht wahr sein brauchen.

Ob den Kindern aus dem Winterhuder Kindergarten, die zur Lesung eingeladen waren, seine Geschichten gefallen haben, bleibt ungewiß. Sehen konnte man sie kaum vor lauter JournalistInnen und Kameraleuten. Statt als Zuhörer schienen sie als Dekoration um den Minister als Star des Nachmittags gruppiert.

Interessant war, daß Blüm, selbst wenn er sich seine Märchen einmal so zusammenreimen kann, wie es ihm beliebt, seine aus der Politik bekannte pastorale Ader nicht verdrängen kann. Die durchaus phantasievolle Geschichte über das kleine Segelboot Jonas, das auf seiner Reise die wunderlichsten Dinge erlebt, strotzt vor Gottesfürchtigkeit. Wie er es in der Politik versteht, seine Schäfchen mit der Hoffnung auf die heilsame Kraft der Bundesregierung zu besänftigen, kriegen die Jüngsten in vielen versteckten Bildern ihre Portion Bibel ab. Statt einer guten Fee gibt es dann halt den lieben Gott, der dem Segelschiff seine Wünsche erfüllt.

Und wie er seine Haltung in seinen Texten verpackt, so erzählt er sie auch. Eben wie Norbert Blüm, der Minister, der mit belegter Stimme und blutendem Herz den Sozialstaat predigt und Sozialabbau meint. Aber zum Glück wissen das die Kinder noch nicht.

Oliver Nachtwey

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen