piwik no script img

Nach 100 Tagen sind sichtbare Ergebnisse grüner Umweltpolitik rar. Aber hinter den Kulissen tobt der Machtkampf Von Achim Fischer

amburg blüht was“, hatte die wahlkämpfende GALier für den Fall ihrer Regierungsbeteiligung versprochen. Das Schreber-Gärtchen dafür hat sie vor 100 Tagen bekommen. In der Umwelt-Ecke, dem ureigensten Themengebiet der Grünen, sind unter SPD/GAL-Regentschaft kaum grüne Knospen zu erkennen, geschweige denn prächtige Blüten. Doch hinter der farblosen Kulisse rumort es gewaltig.

Unternehmen wie die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) sowie die alten neuen SPD-Senatoren wie Thomas Mirow – vormals Stadtentwicklung, jetzt Wirtschaft – und Eugen Wagner – Bauen und Verkehr seit Februar 1982 (!) – klären Umweltsenator Alexander Porschke freundlich-bestimmt über seine Pflichten auf. Oder zeigen einfach, falls er sich als uneinsichtig erweist, wer Herr im Hause ist. Der Machtkampf ist in vollem Gange.

Beispiel Flächenpolitik: Mehrere Oppositions-Jahre lang forderte die GAL-Fraktion, den Hamburger Moorgürtel und die Elbbucht Mühlenberger Loch als Schutzgebiete nach EU-Recht auszuweisen und damit von Autobahnbau und DASA-Erweiterung zu verschonen. Vor drei Wochen meldete der Senat seine Schutzgebiets-Vorstellungen bei der EU an: Den Moorgürtel gar nicht, das Mühlenberger Loch in einer „Light“-Variante. Porschke hatte sich nicht durchsetzen können.

Selbst das haben Hamburgs Umweltaktivisten nicht der GAL, sondern der EU zu verdanken. Brüssel hatte die Ausweisung angemahnt. Hätte der Senat – am letzten Tag der gesetzten Frist – nicht zumindest die Light-Version beschlossen, hätte Brüssel rechtliche Schritte eingeleitet.

Beispiel Energiepolitik: Die GALier wollen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) zum Atomausstieg drängen. Der Stromkonzern reagierte prompt – mit drei öffentlich verteilten Watschen für den Umweltsenator in den ersten 100 Tagen.

Im Dezember stellte HEW-Chef Manfred Timm klar, die AKWs sollten mindestens bis 2015 laufen – zwölf Jahre länger als im Koa-lovertrag angestrebt. Im Januar wurde bekannt, daß die HEW sich weigern, ihrem ausstiegsorientierten Mehrheitseigner – den Hamburger Senat – Einblick in die Geschäftsbücher zu gewähren. Vor wenigen Tagen nun bekundeten die HEW, daß sie ihre AKWs in Kooperation mit der Hannoveraner PreussenElektra wirtschaftlicher betreiben und damit länger am Netz halten wollen. In allen drei Fällen protestierte Porschke. Bürgermeister und HEW-Aufsichtsratschef Ortwin Runde schlurfte ihm vor drei Tagen erstmals zur Seite. Er wolle die Pläne des Konzerns – na? – zunächst einmal prüfen.

Letztes Beispiel. Verkehrspolitik: Dem SPD-Rechten Eugen „Beton“Wagner ist es sowas von egal, welche Koalition unter ihm regiert. „Förderung des Zufußgehens“vereinbarten die Koalitionäre – Wagners Beamte dagegen bekundeten erst wieder vor zwei Wochen, sie wollten Hamburgs Autofahrer nicht durch zusätzliche Grünphasen für Fußgänger reizen.

Auch die „Förderung des Fahrradverkehrs“vereinbarten Rot und Grün. Reaktionen aus der Baubehörde: keine. Selbst kurzfristig realisierbare Maßnahmen – etwa Öffnung von Einbahnstraßen für Radler oder zusätzliche Radfahrstreifen – werden nicht ergriffen. Was sind schon 100 rot-grüne Tage gegen 15 Jahre angewandte Autoverkehrs-Politik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen