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Keine Bewegungsfreiheit für „Nicht-Arische“

■ Studie über Ostdeutschland: Ein Drittel der Jugendlichen mit rechtsextremer Orientierung

Berlin (taz) – Der Ausgangspunkt ist ebenso erschreckend wie einfach: „In gut einem Drittel unseres Landes“, sagt Anetta Kahane, „können sich Menschen mit vermeintlich nicht-arischem Aussehen nicht mehr frei bewegen.“ Die Rede ist von der ehemaligen DDR, der Anlaß eine Studie des ehemaligen Kripo-Mitarbeiters und Experten Bernd Wagner über „Rechtsextremismus und kulturelle Subversion in den neuen Bundesländern“, die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Anders ausgedrückt: Nicht Greenpeace und Musik von Oasis oder Puff Daddy bestimmen, was in vielen ostdeutschen Schulen und Jugendklubs angesagt ist, sondern die örtliche rechtsextreme Kameradschaft und die Musik von Gruppen wie Oithanasie oder Landser.

Auf rund 30 Prozent bezifferten Wagner und Kahane, die in Berlin die „Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen“ (RAA) leitet, die Zahl der Jugendlichen in den neuen Bundesländern, die eine rechtsextreme Orientierung hätten. Was das genau heißt, formulierte er im O-Ton der Szene: „Haß auf Schwarze und Türken; Kampf gegen linke Zecken; Verachtung für die Demokratie als Schwatzbude; im übrigen sind die Juden an der Globalisierung und auch sonst allem schuld.“ Gewalt und das „Alltagsmobbing“ von Immigranten, Flüchtlingen, Behinderten, Punks oder Obdachlosen „wird oft als eine andere Form von Polizeifunktion angesehen“. Bloß sind es keineswegs die Jugendlichen allein. Ihre rechtextreme Protest- und Alltagskultur sei eingebettet in „völkische Stimmungen“ bei der Durchschnittsbevölkerung.

In seiner Studie, die Wagner im Auftrag der Weinheimer Freudenberg-Stiftung erstellte, wirft er auch der etablierten Politik Mitschuld an einer „sozialen Bewegung gegen Ausländer“ vor, die sich zwischen 1990 und 1994 unter dem Schlagwort der „Asylantenschwemme“ auch in Pogromen gegen Wohnheime und unzähligen Brandanschlägen äußerte. Was dann durch ein Verbot von rechtsextremen und neonazistischen Organisationen wieder etwas eingedämmt worden sei, trete nun als Alltagskultur wieder hervor.

Nun warnen Wagner und Kahane nicht erst seit gestern vor dem Phänomen, das weder mit Verboten noch mit Polizeistrategien allein in den Griff zu kriegen ist. Doch die jüngste Studie erfreute sich enormer Aufmerksamkeit in- wie ausländischer Medienvertreter. Erst vor wenigen Wochen hatte die britische Zeitung The Guardian den „national befreiten Zonen“ und den alläglichen Meldungen von Überfällen auf Immigranten und Flüchtlinge ein mehrseitiges Dossier gewidmet. Auch im International Herald Tribune, in der europäischen Ausgabe der New York Times und in der Washington Post landete das Thema vor kurzem auf Seite eins – wohl nicht zuletzt, weil auch ausländischen Botschaften den Umzug nach Berlin als Sicherheitsproblem für Botschaftsangehörige mit dunklerer Hautfarbe diskutieren. Auch diese dürften dann wohl Zeugen einer Auseinandersetzung werden, die Wagner als „rechtsextrem orientierte Kontrastgesellschaft versus demokratische Zivilgesellschaft“ bezeichnet.

Die Zivilgesellschaft, sagt die ehemalige Ausländerbeauftragte Ostberlins, Kahane, sei in den neuen Bundesländern bei weitem nicht so entwickelt wie in den alten. „Serviceleistungen für die Humanisierung“ nennt sie denn auch die Arbeit der inzwischen 18 Arbeitsstellen für Ausländerfragen in Ostdeutschland sowie des von ihr und Wagner gegründeten Zentrums Demokratische Kultur. Deren Angebote reicht von der Beratung russischer Juden über die Einrichtung interkultureller Schüler- und Jugendklubs bis zu Computerspielen, Lehrmaterialien und Sofortberatung – zum Beispiel für jene Betreuer eines Wohnprojekts im brandenburgischen Fürstenwalde, deren Sprößlinge neuerdings mit Handzetteln für die NPD werben. An Erfahrungen, so Wagner und Kahane, sei man inzwischen so reich, daß sich die nächste Studie mit den verschiedenen Strategien gegen rechts befassen soll. anb

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