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Dezent weiblich mit Biß

Spagat zwischen beruflicher Qualifizierung und Wirschaftlichkeit: Das Frauencafé BißQuit in Hamburg-St. Georg  ■ Von Roswitha Tröger

Alles ist blitzsauber im Café BißQuit, kein Zigarettenqualm liegt in der Luft. Die Tische und Stühle aus hellem Kiefernholz strahlen Gemütlichkeit im Ikea-Stil aus. Die Bedienung kommt sofort. Jetzt am frühen Nachmittag ist noch wenig los. Zwei Frauen blättern an ihren Tischen in Zeitungen. Dezente Musik im Hintergrund. Wer Ruhe sucht, findet sie hier. Auch vor Männern. Denn das Café BißQuit in der Langen Reihe 81, direkt neben dem Verein für Weiterbildung, ist im Schaufenster deutlich als „Café und Kneipe für Frauen“ausgewiesen.

Auch sonst hebt es sich von den Kneipen in der Nachbarschaft ab. Kurz vor der Eröffnung, am 6. Juni '97, hat die Stadtentwicklungsbehörde die gesamten Kosten für den Umbau und die Einrichtung übernommen. Was die Konkurrenz besonders wurmt: Auch die Personalkosten begleicht das BißQuit zur Zeit noch über die Lohnkostenförderung der Stadt. Die bezahlt neben den beiden Stellen der Geschäftsführerinnen fünf Vollzeit- und sechs Teilzeitkräfte in der Küche und im Service. Zwei Frauen aus dem Methadonprogramm arbeiten – je nach Einsatzvermögen – auf 620 Mark-Basis.

„Daß die ,blöden Weiber' so viel Geld kriegen, hat hier in St. Georg natürlich viel Neid und Mißgunst provoziert“, erzählt eine der beiden Geschäftsführerinnen, die gelernte Hotelfachfrau Uta Schnakenberg. „Aber wir versuchen ja auch den Spagat, die Mitarbeiterinnen für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten“, rechtfertigt sich Geschäftsführerin Liane Lieske. „Die Frauen können sich hier erst einmal persönlich, aber auch finanziell wieder berappeln, bevor sie sich weiter bewerben“, fügt Uta Schnakenberg hinzu.

Das Geld für Miete, Einkauf und kulturelle Veranstaltungen muß das BißQuit schon jetzt allein erwirtschaften. Und in zwei bis drei Jahren soll sich das Projekt komplett selber tragen. „So viele Stellen können wir uns dann nicht mehr leisten“, sieht Liane Lieske die Sache realistisch. Aber auch die Mitarbeiterinnen ausreichend zu qualifizieren, sei eine Herausforderung: „Es wäre gut, wenn ein fester Stamm da wäre, der die WiedereinsteigerInnen betreuen könnte. So müssen sich alle immer wieder neu aufeinander einstellen“, gibt die Soziologin Lieske zu bedenken. Und die Kundinnen gehen mit hohen Anspüchen ins BißQuit. „Die Frauen sind hier viel kritischer als in einer normalen Kneipe. Wenn das Essen mal kalt war oder nicht geschmeckt hat, bleiben sie schneller weg“, bemerkt Uta Schnakenberg.

Das BißQuit-Konzept geht trotzdem auf, „weil es der einzige Ort im Bahnhofsviertel St. Georg ist, wo Frauen unter sich sind“, so Liane Lieske. Außerdem komme die Mischung aus kulturellem Angebot und Cafébetrieb gut an: Jeden Sonntag gibt's Kaffee und Kuchen bei klassischer Musik und Kerzenschein, ab und zu eine Lesung mit Menü.

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