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Die Toten im Kosovo sollen schnell unter die Erde

■ Albaner werfen Serben Vertuschung vor. Balkanstaaten einigen sich auf Kosovo-Initiative

Priština/Belgrad/Sofia (AP/rtr) Im Kosovo ist ein Streit um die Opfer der serbischen Polizeiaktion entbrannt. Die Behörden in Priština setzten den Familien gestern eine Frist bis zum Nachmittag, um die Leichen abzuholen. Andernfalls würden sie in einem Massengrab bestattet. Die albanischen Familien verlangen jedoch eine Autopsie seitens unabhängiger Experten, um die genaue Todesursache festzustellen. Sie werfen den Serben vor, mit einer schnellen Beerdigung Verbrechen vertuschen zu wollen.

Die Zeitung Koha Ditore veröffentlichte gestern eine Namensliste mit 29 Getöteten, darunter 22 Angehörige von Adem Jashari, dem nach Polizeiangaben bei der Aktion getöteten Anführer der Untergrundorganisation Befreiungsarmee Kosovo. Die Zeitung druckte auch Bilder von drei getöteten Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren. Die Polizei zeigte einem Kamerateam der Fernsehnachrichtenagentur APTV einen Leichnam, bei dem es sich um Jashari handeln sollte. Die Behörden begründeten ihre Eile bei der Bestattung damit, daß die Leichen bereits verwesten. Nach albanischen Angaben wurden insgesamt 52 Menschen getötet. Das Rote Kreuz bot sich nach eigenen Angaben als Vermittler an, wurde jedoch von den serbischen Behörden zurückgewiesen.

Der amerikanische Sondergesandte Robert Gelbard bekräftigte bei seiner Ankunft in Belgrad am Montag abend, daß der Konflikt im Kosovo mit friedlichen Mitteln gelöst werden müsse. In einer Erklärung des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević hieß es nach einer Unterredung mit Gelbard, „die Probleme im Kosovo könnten nur in Serbien gelöst werden, ausschließlich mit politischen Mitteln“.

Zur Beilegung des Kosovo- Konflikts verständigten sich unterdessen vier Staaten der Region auf eine gemeinsame Initiative. Bulgarien teilte mit, Rumänien, Griechenland und die Türkei hätten sein Konzept angenommen. Es sollte gestern offiziell vorgestellt werden. Nach Angaben des bulgarischen Außenministeriums sieht der Plan eine weitgehende Autonomie für die Provinz Kosovo vor. Die albanische Bevölkerungsmehrheit und Belgrad sollten zum Dialog finden. Der politische Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, erklärte Dienstag und Mittwoch zu Tagen der Trauer für die Opfer der blutigen Unruhen. Damit solle der Toten in den Orten Prekaz und Lausha gedacht werden, sagte Rugova in der Provinzhauptstadt Priština.

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