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Im Kosovo brennen wieder Häuser

■ Der jüngste serbische Angriff in Decani richtete sich wie zuvor in Drenica vor allem gegen einzelne albanische Familienclans

Sarajevo (taz) – Langsam lichtet sich der Rauch über den angegriffenen Dörfern der Region Decani im Kosovo, die in der Nähe der bisherigen „gesäuberten“ Gebiete gelegen sind. Noch ist unklar, wieviele Menschen bei dem mehr als 10 Stunden dauernden Angriff der serbischen Sicherheitskräfte am Dienstag umgekommen sind. Serbische Quellen bestätigen bisher zwei getötete Albaner, Journalisten von vor Ort rechnen jedoch mit wesentlich mehr Opfern. Zunächst war von fünf Toten die Rede gewesen.

Auch ein serbischer Polizist soll getötet und drei weitere bei der Aktion verletzt worden sein. Ein Kosovo-Albaner sei festgenommen worden, gab das serbische Innenministerium bekannt. Dabei soll es sich um den örtlichen Vertreter der „Demokratischen Liga des Kosovo“, Rasim Selimani, handeln. Viele Personen, die vor den Angriffen aus ihren Häusern geflohen waren, werden noch vermißt.

Offenbar waren die Anwesen von zwei Familien in dem 1.500 Einwohner zählenden Dorf Glodjane Ziel der Polizeiaktion. Ihre mit Einschußlöchern übersäten Trümmer rauchten gestern nach Angaben eines AFP-Reporters noch. Bei mehreren Gebäuden seien die Türen gewaltsam aufgebrochen, die Einrichtung zerstört worden. Auch in den Nachbardörfern Gramaquel und Babaloq wurden nach Angaben von Augenzeugen Häuser zerstört.

Damit bleibt die serbische Polizei bei ihrer Linie, gezielt einige Familienclans zu „bestrafen“ und die anderen Bewohner der betroffenen Dörfer zu vertreiben. Mit der Aktion vom Dienstag ist ein Gebiet von rund 20 Kilometer Durchmesser und mit rund 30.000 Einwohnern von den Aktionen der Sonderpolizei betroffen.

Berichte über bewaffnete Albaner in diesem Gebiet und von Waffenfunden der serbischen Polizei werden von albanischen Quellen als nicht glaubwürdig angesehen. Die serbische Polizei habe schon mehrmals Provokateure eingesetzt sowie Waffen präsentiert, um ihre Aktionen zu rechtfertigen. Noch ist nicht erwiesen, daß serbische Polizisten getötet und verletzt worden sind. Sollten sich diese Angaben jedoch bestätigen, ist von der Existenz bewaffneter albanischer Gruppen auszugehen.

Noch am Montag dieser Woche waren nach eigenem Augenschein keinerlei bewaffnete Gruppen in diesem Gebiet zu sehen. In Gesprächen mit Bewohnern äußerten diese die Befürchtung, es könnte bald zu einem Überfall der serbischen Sondereinheiten kommen. Schon Tage zuvor waren einige der serbischen Einheiten aus der Region Drenica in die Region Decani verlegt worden. Auch in der Umgebung der zwischen Prizren und Peja gelegenen Stadt Djakovica wurden schon am Montag Truppenbewegungen beobachtet. Dort ist es ebenfalls zu einem Angriff gekommen. In Priština demonstrierten unterdessen mehrere tausend Frauen gegen das gewaltsame Vorgehen der serbischen Polizei. Erich Rathfelder

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