■ Vorschlag: Gruselkabinett: „À la Grande Illusion“ im Haus Schwarzenberg
Die Ägypter pflegten die Grabkammern ihrer PharaonInnen mit Tiermumien zu bestücken. Als die Pharaonengräber später ausgehoben wurden, fanden Wissenschaftler zu ihrem Erstaunen nicht nur mumifizierte Leichname von Menschen und Tieren, sondern auch Attrappen: Tiere, deren Kopf ausgestopft aus einem mit Stoff umwickelten Holzgerüst ragte. Eine Fälschung hatten die antiken Taxidermisten ihrem Pharao mitgegeben, mit der Absicht, Isis und Osiris zu täuschen. Vielleicht waren sie auch nur faul oder in Eile.
In der Tradition der Fälschungen und Illusionen der Neuzeit stehen die Kinematographen, die kinetischen Apparate und Skulpturen der französischen KünstlerInnen Bernard Agnias, Saskia Hinrichs und Brigitte Chottin. Mit ihrer dritten Ausstellung nach den „Machines Extraordinaires du Dr. Ed Monde“ (1995) und den „Automiren“, – riesigen Kaleidoskopen, die sie als „Les Amis du Musée“ 1997 aus Lille nach Berlin brachten – begeben sich die drei Illusionisten ins Reich der Wunder. Sie präsentieren das „Kuriositätenkabinett eines abgesetzten Prinzen“: eine Sammlung von Fehlgeburten der Industrie wie der verkrüppelte Telefonhörer mit zwei Mundstücken oder das Fernglas, aus dem Rasierpinsel wachsen. Laborartige Behälter bieten diese traurigen, weil unbenutzbaren Objekte wie seltsame Tiere dar.
Die Sammlung des Prinzen besteht weiterhin aus Apparaten, die sich mit optischer Täuschung beschäftigen, großen Maschinen zum Hineingucken, Ankurbeln und Hinaufsteigen. Die Kinematographen zeigen ein Werkzeug-Ballett, ein fahrbares Kaleidoskop läßt den Betrachter scheinbar den blendenden Inhalt einer Schatztruhe in Meerestiefe erforschen. Skulpturen, Collagen und Materialsammlungen zum Thema Sinnestäuschung und Heuchelei machen die Sammlung „des abgesetzten Prinzen“ zu einem faszinierenden Horror- und Merkwürdigkeitenkabinett. Jenni Zylka
Mi.-So. 16-22 Uhr, im Haus Schwarzenberg, Rosenthaler Str. 39
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