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Grüne Streitkultur hat die CDU erreicht

■ Schäubles Vorstoß für eine Energiesteuer entzweit jetzt auch seine Partei: Ein Flügel um Gunnar Uldall, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, will die Forderung aus dem Wahlprogramm streichen lassen

Bonn (taz) – Der Streit zwischen CDU und CSU über eine höhere Energiesteuer entwickelt sich zu einer Auseinandersetzung innerhalb der CDU. Ein Flügel um den wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Gunnar Uldall, hält die Energiesteuerbefürworter in der CDU für eine Minderheit und fordert, die Steuererhöhung aus dem Wahlprogramm herauszunehmen. Eine Gruppe von jüngeren CDU-Abgeordneten um Peter Altmaier plant dagegen, sich schriftlich für Schäuble stark zu machen. Die Kritik an dem maßgeblich von Fraktionschef Wolfgang Schäuble verfaßten CDU-Programmentwurf wird in einem Brief, der heute an die Fraktion geschickt werden soll, als „töricht und unakzeptabel“ bezeichnet.

Bundeskanzler Kohl hat gestern erstmals zum Thema Stellung bezogen und sich in der Bild-Zeitung wie Schäuble für eine „harmonisierte Regelung der Energiesteuer in Europa“ ausgesprochen. Die innerparteiliche Diskussion geht dennoch weiter. Aus dem Umfeld Uldalls hieß es, Deutschland habe bereits die höchsten Steuern auf Energie. Für eine Ökosteuer sei kein Spielraum. Es komme darauf an, die Steuerreform mit einer Nettoentlastung zu verwirklichen und nicht die Steuern zu erhöhen. „Nach der Faktenlage“, so die Widersacher Schäubles, sollte die Ökosteuer eigentlich „kein Thema“ sein. Es gebe zwar eine Beschlußlage, die eine höhere Ökosteuer vorsehe. Gute Politiker zeichne aber aus, Entwicklungen zu erkennen und Beschlüsse zu verändern. Auf die Frage, ob Schäuble nicht beschädigt werde, wenn er seine Vorschläge zurücknehme, hieß es: „Wer in den Wald hineingeht, muß wieder rausfinden.“

Die Gruppe um Altmaier hält dagegen: „Wir können nicht zulassen, daß Schäuble durch unsachgemäße Kritik demontiert wird.“ Der Fraktionschef habe den Mut, die Wahrheit zu sagen. „Anstelle wohlfeiler Versprechen“ würden „realistische, unbequeme Wahrheiten verkündet“. Schäubles „zukunftsweisender Entwurf“ sei geeignet, die Distanz und Gleichgültigkeit gegenüber der Politik, gerade bei jungen Menschen, abzubauen.

Während andere aus der CDU Schäubles Vorgehen bei der Energiebesteuerung für taktisch mißglückt halten, weil die Grünen dadurch zunehmend aus der Kritik geraten, sieht Altmaier keine Alternative. Die CDU-Kampagne gegen den von den Grünen geforderten Spritpreis habe zwar die Grünen geschwächt, aber nicht der Koalition weitergeholfen. Lediglich die SPD habe von dem Desaster der Grünen in den Meinungsumfragen profitiert. Offenbar rächt es sich nun, daß in der Union nie offen über die Energiebesteuerung geredet worden ist. In der Ära Kohl, heißt es, sei diese Diskussion immer unterdrückt worden. Unterdessen verschärft die CSU ihren Druck auf die CDU. CSU-Chef Theo Waigel ließ die Behauptung von CDU- Generalsekretär Peter Hintze, der Programmentwurf sei mit Waigel abgestimmt, dementieren. Wie die Welt schreibt, habe Waigel Schäuble sogar ausdrücklich vor der Veröffentlichung des Programmentwurfs gewarnt. Markus Franz

Tagesthema Seite 3

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