piwik no script img

Schulabschluß ohne Alternative

Behördenpapier bestätigt Notwendigkeit des von Schließung bedrohten VHS-Projekts Röbbek. Deshalb wird es überarbeitet  ■ Von Karin Flothmann

Sie kommen oft aus zerrütteten Familienverhältnissen, hatten nicht selten Probleme mit Drogen oder wurden mit 15 das erste Mal schwanger. Eines haben die 96 Schülerinnen und Schüler des Volkshochschul-Projekts Röbbek in Othmarschen jedoch gemeinsam: Sie alle haben keinen Schulabschluß. Ob sie den überhaupt noch nachholen können, ist derzeit fraglich. Eine Arbeitsgruppe (AG) im Amt für Berufs- und Weiterbildung der Schulbehörde kam zu dem Ergebnis, daß jüngere Teilnehmer der Kurse „theoretisch“in Berufsvorbereitungsjahre vermittelt werden könnten. In dem amtlichen Vermerk vom 7. April, der der taz vorliegt, heißt es außerdem, für eine solche „Verschiebung“kämen jedoch nur 25 der 96 Röbbeker SchülerInnen in Frage: „Für die übrigen steht ein adäquates Angebot nicht zur Verfügung.“

Eingesetzt worden war die AG, um zu prüfen, ob es für die VHS-Kurse zum nachträglichen Erwerb des Haupt- oder Realschulabschlusses Alternativen gebe. Denn VHS-Leiter Rudolf Camerer hatte Ende Februar verkündet, er wolle die Einrichtungen in Othmarschen und St. Georg schließen, weil die VHS sparen müsse. „Konsolidierung durch Wachstum hieß unser Konzept“, erläutert Hartwig Schuchard, der kaufmännische Leiter der VHS. Doch das sei nicht aufgegangen. In Harburg, Billstedt, Langenhorn und Rahlstedt eröffnete die VHS neue Zweigstellen und nahm Mehrkosten von 4,7 Millionen Mark jährlich in Kauf. Im vorigen Jahr wurden sogar die Kursgebühren erhöht, um wirtschaftlicher zu arbeiten. Die Folge war, daß die TeilnehmerInnen ausblieben.

In der VHS Röbbek blieben sie nicht aus. Rund die Hälfte der TeilnehmerInnen, die dort vormittags auf ihren Hauptschulabschluß vorbereitet werden, sind älter als 24. „Für die bestünde sonst nur noch in der Abendhauptschule die Möglichkeit, einen Abschluß zu machen“, sagt Hasso Horns, Koordinator in Röbbek. Würden die VHS-Kurse ersatzlos gestrichen, so hätten „alleinerziehende Mütter wohl kaum noch eine Chance, die Schule abzuschließen.“

Rund 1000 SchülerInnen von insgesamt etwa 15.000 SchulabgängerInnen verlassen derzeit jährlich Hamburgs Schulen, ohne wenigstens den Hauptschulabschluß geschafft zu haben. Wollen sie ihn später nachholen, so werden ihre Chancen immer schlechter. Das mußte auch die AG im Amt für Weiterbildung feststellen. In ihrem Vermerk heißt es: „Die Arbeitsgruppe gibt zu bedenken, daß das Angebot zum Nachholen von Schulabschlüssen schon jetzt quantitativ zurückgeht.“

Der Schulbehörde, deren Senatorin Rosemarie Raab (SPD) als Chefin im Vorstand der VHS sitzt, scheinen die moderaten Töne der AG jedoch nicht in den Kram zu passen. „Das ist nicht einmal ein Zwischenergebnis“, erklärte der stellvertretende Leiter des Weiterbildungsamtes, Siegfried Hahn, gestern. Deshalb werde das Papier derzeit „überarbeitet“. Die Entscheidung über Röbbek werde im übrigen erst im Mai getroffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen