piwik no script img

■ Cash & CrashSkurriles Monopoly wie im richtigen Leben

Hamburg (taz) – Der Dax klettert von Rekord zu Rekord, und alle Welt hat nur Augen für den Deutschen Aktienindex und seine dreißig Werte. Immerhin entfallen auf sie 85 Prozent des Umsatzes im Aktienhandel. Aber im Schatten der Hauptdarsteller kann manches skurrile Talent entdeckt werden: 700 hiesige Aktien werden gehandelt, dazu 1.500 ausländische Papiere.

Darunter findet sich manch ein Titel, der nicht allein durch seine Kleinheit beeindruckt, wie die Tempelhofer Feld AG, mit der die Berliner Wertpapierbörse einmal einen Monatsumsatz von zwölftausend Mark erzielt hat – dem Gegenwert von vier Anteilsscheinen. Auf den Kurszetteln der acht deutschen Börsen finden sich auch drollige Namen, etwa die im vergangenen Jahr gestartete Achterbahn AG, die unter anderem die Comic-Figur „Werner“ vermarktet.

„In der interessierten Öffentlichkeit haben wir für unser Vorgehen viel Zustimmung erfahren“, freute sich einst die Kleinwanzlebener Saatzucht AG in ihrem Geschäftsbericht 1993/94. „Zustimmung“ erhielten die Pflanzenzüchter, ebenso wie lautstarken Protest, für ihre Gentechnik-Experimente und den ersten in Deutschland durchgeführten Freilandversuchen. Obwohl in einer vielgepriesenen Zukunftsbranche tätig, leidet der Biotechnologe unter extremen Kursschwankungen. So pendelte der Kurs an der Niedersächsischen Börse im vergangenen Jahr innerhalb der Extremwerte 880 und 1.540 Mark hin und her. Firmensprecher Hubertus von Münchhausen erklärt dies mit der kleinen Zahl von Aktien, die an der Börse gehandelt werden. „Wir sind ein typischer Small Cap, mit einem engen Markt und einer großen Nachfrage.“ Lediglich zehn Prozent des Grundkapitals sind im Handel, der Rest ist in den festen Händen von Südzucker, Hoechst und Oetker.

Schäumende Kursträume treiben selbst die Anteilseigner von bankrotten Firmen um. So kann auf die Schein-Ostaktie der Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken ASS – sie residiert bei Stuttgart – weiterhin spekuliert werden, obwohl die Firma das Konkursverfahren durchläuft (Kurs: neun Mark). Zocker hoffen in solchen Fällen auf ein rettendes Politikerwort oder auf eine Übernahme durch einen Konkurrenten.

Und wie im richtigen Leben ist der Standort Deutschland international durchaus beliebt – besonders in den USA. Echte Amis werden hierzulande ebenfalls gehandelt: „Ein explosives Wachstum“ hatte Berlin Stock-News, der Info-Dienst für Auslandsaktien, im Sommer für die Aktien von Wackenhut verheißen: Bis zu 40 Prozent könne der Ertrag jährlich steigen. Das amerikanische Unternehmen baut und betreibt private Gefängnisse. Der Aktienkurs von Wackenhut spielte allerdings bislang nicht mit, er stieg deutlich langsamer als der Dax. Hermannus Pfeiffer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen