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KommentarMullah-Diplomatie

■ Afghanistan: Erste Gespräche zwischen den Taliban und ihren Gegnern

Wer miteinander redet, schießt nicht aufeinander. Diese alte Regel gilt in Afghanistan schon seit langem nicht mehr. So überraschte es nicht, daß gestern, als sich in Islamabad die primitivislamistischen Taliban erstmals seit ihrem Auftauchen auf dem Kriegsschauplatz 1994 direkt mit ihren Gegnern trafen, im Land selbst die heftigsten Gefechte seit Monaten geführt wurden.

Sicher: Es ist positiv, daß es überhaupt zu diesen Gesprächen gekommen ist. Das ist einer konzertierten Aktion der Vereinten Nationen, der Organisation Islamische Konferenz (OIC) mit ihren 54 Mitgliederstaaten sowie den USA zu verdanken. Gleichzeitig verdeutlicht die Gesprächsbereitschaft der Taliban, daß ihre auswärtige Unterstützung bröckelt. Pakistan, woher sie logistische Hilfe und Militärberater bekommen, und Saudi-Arabien, das das Geld gab, stehen als Verbündete der USA unter massivem Druck. Washington will in Afghanistan den Drogen- und Waffenschmuggel eindämmen und den Konzernen die Transitroute für Öl und Gas aus Mittelasien sichern. Folgerichtig gelang der erste Durchbruch, als die USA sich nach jahrelanger Sendepause wieder für Afghanistan zu interessieren begannen – während die UNO seit Jahren mit ihren Bemühungen ins Leere lief.

Andererseits sind die Islamabad-Gespräche nur Vorgespräche zu Vorgesprächen. Jedenfalls sehen das die Taliban so. Sie wollen nur über die theologische Kompetenz jener islamischen Geistlichen sprechen, die künftig die eigentlichen Gespräche führen sollen. Die Bedingung, daß weder Politiker noch Militärs verhandeln sollen, sondern Mullahs, haben sie gegenüber den Schirmherren der Gespräche – UNO und OIC – durchgesetzt. Das widerspiegelt, was den künftigen Gesprächsverlauf noch erheblich erschweren wird: Die Taliban sehen sich als Vertreter der einzig wahren islamischen Lehre, während ihre Gegner den Anspruch verwirkt haben, das afghanische Volk zu vertreten, da sie den Krieg nach dem Fall der prosowjetischen Regierung 1992 nicht beendeten. Die Islamabader Gespräche finden nicht zwischen gleichrangigen Partnern statt. Bevor sich die Taliban nicht allgemein üblichen Gepflogenheiten unterwerfen, sind keine wirklichen Ergebnisse zu erwarten. Aber wie befreit man Eiferer von ihrer fixen Idee, allein den Weg zum Heil zu kennen? Thomas Ruttig

Bericht Seite 4

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