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■ Gerhard Schröder und der Tag der Arbeit in PotsdamEr wär' so gerne Tony Blair...

Als Tony Blair vor einem Jahr die britischen Parlamentswahlen gewann, sah die deutsche Sozialdemokratie Hoffnung für sich blinken: Genauso müssen wir's auch machen, flanschte sich die SPD an den Erfolg der Labour Party an. Weil Blair vor allem mit Hilfe der Boulevardpresse und entsprechend rechtspopulistischen Parolen wie „Law and order is a Labour issue“ gesiegt hatte, lieferte der SPD-Kandidat Schröder eifrig die deutsche und deutlichere Version hinterher: „Kriminelle Ausländer müssen raus, und zwar sofort!“ tönte Schröder und warf sich den Zwangsvorstellungen jener rachitischen Inländer an den Hals, die sich wie er permanent zukurzgekommen fühlen und die ihn deshalb zum Kanzler machen sollen.

Nun läßt sich schon über Schröders Vorbild nicht viel Angenehmes sagen. Tony Blair sieht aus und benimmt sich wie einer, der mindestens zwei Ölwechsel am Tag braucht und hinterher immer noch klebt. Der getunnelten Lady Diana Spencer warf sich Blair postum in einer Weise an den Hals, die nahezu Elton-John-Format hatte: Der Sänger hatte die Beerdigungsfeierlichkeiten zugunsten Frau Spencers zum Anlaß genommen, einen über 20 Jahre alten Song, den er einst über Marilyn Monroe geschrieben hatte, flink zu recyceln. Aus Good bye, Norma Jean wurde Good bye, England's rose, und das sang Elton John für „seine Freundin“ Diana: „And it seems to me you lived your life like a candle in the wind – ffhhhh...“ Schäbig, schäbig oder that's what friends are for.

Auch Blair ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, den hysterisiert flennenden Massen voranzuschreiten und wird noch heute ausfällig gegen jeden, der klar genug bei Verstand ist, das Heiligengetue um die adelige Friseuse für gaga zu halten. Zu seiner Idee, dem Mob immerzu hinterherzulaufen und dabei zu behaupten, er führe ihn an, paßt auch das demonstrativ-dekorative Shakehands mit den Gebrüdern Gallagher von Oasis, deren reichlich kotzbrockiges Wir- haben-es-geschafft-Gehabe einem wie Blair natürlich imponieren muß.

Und also auch seinem Adepten Gerhard Schröder, dem aber weder eine tote Prinzessin noch eine weltweit fette Mainstream-Band noch Blairs alerte Öligkeit zur Verfügung steht. In Schröders Gesichtszügen kann man im Gegenteil lesen, was Nachvornekommen in Deutschland kostet: Man muß über zumindest eine Leiche gegangen sein – über die eigene. All das Rudern und Machen und Tun, das Ducken und Strampeln und Strebern, all die Mühe und all das Buckeln sind hineingemeißelt in Gerhard Schröders Antlitz: Ein Gesicht wie ein nicht enden wollender Zweiter Bildungsweg.

Und so hat Gerhard Schröder nicht einmal das bißchen Flair von Blair. Seine fadenscheinigen Sieger- und Macher-Posen mögen chronisch Verängstigte beeindrucken; panische Kleinbürger rennen, zumal in Deutschland, immer nach rechts, und daß Schröder rechts steht, versichert er denen, die ihn wählen werden, sehr eindringlich und glaubhaft.

Die alte SPD-Parole „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, die unangenehm nach „macht frei, macht frei, macht frei“ klingt, verkörpert Schröder in Person; er mag sich parfümieren, wie er will und wird doch immer nach Schweiß riechen – nach dem Schweiß der Angst, er könne alles, was er zusammengeschaftelhubert und -gegaunert hat, auch wieder verlieren.

Nichts gegen kleine Leute, aber alles gegen kleine Leute, die durch maximale Brutalisierung ihrer selbst nach oben gekommen und fortan bereit sind, jedem das Gesicht einzutreten, der an ihrer Fassade nagt.

Wie armselig Schröder tatsächlich ist, zeigte er am 1. Mai in Potsdam, wo er nach der Absage Udo Lindenbergs, der ihm allerdings auch gut zu Gesicht gestanden hätte, mit den Puhdys und City SPD-Wahlkampf machte. Den fiesen Mief ostdeutschen Mitläufertums kann kaum jemand so verkörpern wie diese beiden gefürchteten Bands – die Gerhard Schröder von nun an täglich und immerdar begleiten mögen, als weithin hörbares akustisches Warnsignal vor dem furchtbar ambitionierten Kleinbürger Gerhard Schröder, der 25 Jahre nach Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen!“ nur eins anzubieten hat: Mehr Volkswagen. Wiglaf Droste

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