Kommentar: Reines Gewissen
■ Warum Anna Bruns mit ihrem politischen Rückzug niemandem einen Gefallen tut
Kann man einer engagierten linken Politikerin die Verzweifelung vorwerfen, von der sie im Angesicht realexistierender rot-grüner Politik gepackt wird? Man kann. Volksvertretung und eine Koalition mit der Hamburger SPD sind kein Sonntagsspaziergang. Von einem Bündnis mit den Sozis anzunehmen, man würde sich nicht verbiegen müssen, kommt dem Glauben an die unbefleckte Empfängnis gleich. Anna Bruns ist ein Profi und wußte um die Zerreißprobe, die auf sie zukommt. Dennoch hatte sie sich darauf eingelassen.
Die GAL-Fraktion trifft ihr Rückzug völlig unvorbereitet. Es ist niemand nachgewachsen, der ihre Rolle in einem Bereich, der für die Grünen fundamental wichtig ist, übernehmen könnte. So schnell kann sich kein noch so bemühter und talentierter Nachfolger einarbeiten, wie in Hamburg Flüchtlinge abgeschoben werden.
Den Minderheiten und sozialen Randgruppen hat Bruns keinen Gefallen getan. Die Flüchtlingsorganisationen, sozialen Projekte und die Drogenhilfe-Szene sind auf ihre Unterstützung angewiesen; sie müssen sich nun aber auch fragen lassen, ob sie Bruns nicht zu sehr unter Druck gesetzt haben.
Nicht nur in der Verteidigung von Minderheitenrechten, sondern gerade auch für die erstmals mögliche Gestaltung grüner Inhalte wäre eine erfahrene Politikerin wie Bruns nötig gewesen. Doch der Frust, den auch viele andere GALier schieben, war bei ihr stärker. Viele fühlen sich nun – zu recht – im Stich gelassen.
Dafür hat Anna Bruns jetzt vor allem eins: ein reines Gewissen. Silke Mertins
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