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Jeder vierte Schüler erlebte Gewalt

■ Studie unter Neuntkläßlern: Nur wenige SchülerInnen gehen nach Gewalttaten zur Polizei. Viele wurden zudem von Eltern geschlagen

Hannover (taz) –Im vergangenem Jahr ist in Hannover ein Viertel der Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen Opfer eines kriminellen Gewaltdelikts geworden. Dies ist ein erstes Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 2.295 Neuntkläßlern, die das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) im März an 57 hannoverschen Schulen durchgeführt hat.

Als Gewaltdelikte habe man bei Befragung lediglich Fälle von Raub, räuberischer Erpressung, schwerer oder gefährlicher Körperverletzung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung gewertet, sagte gestern der hannoversche Kriminologe Peter Wetzels bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. In den beiden Jahren 1996 und 1997 sei sogar mehr als ein Drittel der Neuntkläßler der niedersächsischen Landeshauptstadt Opfer eines solchen gravierenden Delikts geworden. Diese hohen Zahlen bestätigen in den Augen des Kriminologen „schlimmste Befürchtungen“.

Die Befragung der Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen nach „Gewalterfahrungen und Kriminalitätsfurcht“, die für Hannover von den dortigen Nahverkehrsbetrieben, der Üstra, finanziert wurde, geschieht nach Angaben des Direktors des KFN, Christian Pfeiffer, im Rahmen eines „europaweit einmaligen Projektes“. Dabei wurden und werden allein in der Bundesrepublik 15.000 Neuntkläßler nach ihren Gewalterfahrungen befragt, etwa auch in Hamburg, Leizig, Stuttgart, München und einer Reihe kleinerer Städte. Parallele Befragungen in Klassen des neunten Jahrgangs finden außerdem im europäischen Ausland, so in Zürich, Rotterdam und Krakau statt.

Die hannoversche SchülerInnenbefragung, die als erste ausgewertet wird, hat auch ergeben, daß jugendliche Opfer von Gewaltdelikten sich nur in seltenen Fällen an die Polizei wenden. Nur neun Prozent der jungen Opfer einer schweren oder gefährlichen Körperverletzung hätten der Befragung zu Folge anschließend Anzeige erstattet, sagte gestern Peter Wetzels. Die Opfer einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung hätten nur in fünf Prozent der Fälle die Polizei eingeschaltet. Opfer einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung mit körperlicher Gewalt seien im vergangenem Jahr 3,6 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler geworden.

Befragt wurden die hannoverschen Neuntkläßler auch nach Gewalt, die sie zu Hause, in der Familie erfahren mußten. Dabei gaben 40 Prozent der Jugendlichen an, im vergangenem Jahr von ihren Eltern geschlagen worden zu sein. 7,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler berichteten sogar von schweren Mißhandlungen durch ihre Erziehungsberechtigten. Zwei Drittel der Neuntkläßler sind früher im Kindesalter von ihren Eltern geschlagen worden. Auf etwa 15 Prozent schätzte Peter Wetzels gestern den Anteil der hannoverschen Neuntkläßler, die massiv und nicht nur gelegentlich unter Gewalt ihrer Eltern leiden müssen.

Jugendliche würden allerdings auch schon gelegentliche Ohrfeigen der Erziehungsberechtigten als demütigend erleben und dabei körperliche Gewalt als scheinbar legitimes Mittel in Auseinandersetzungen kennenlernen. Jugendliche, die Opfer der Gewalt ihrer Eltern würden, seien deutlich häufiger später selbst Täter, aber auch häufiger Opfer krimineller Gewalttaten, sagte Wetzels und bezeichnete diesen Zusammenhang als statistisch hochsignifikant. Christian Pfeiffer kritisierte gestern, daß sogenannte einfache körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik den Eltern immer noch erlaubt ist. Jürgen Voges

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