Kommentar: Kein Denkanstoß
■ Scherfs Rede wirkt verniedlichend
Haus & Grund ist kein rechter Verein. Es wäre ungerecht, das zu behaupten. Die Haus- und Grundbesitzer, die ab 1930 die NSDAP in der Bremischen Bürgerschaft unterstützt haben, sind schon lange tot. Außerdem sind nach dem Krieg auch die Mitbegründer der Bremer Demokratischen Partei und der FDP aus der Interessenvertretung hervorgegangen. Aber ist es ein Zufall, daß die Phase des 1.000jährigen Reiches beim 100sten Jubiläum ausgespart blieb?
Knapp eineinhalb Jahre ist es her, das Haus & Grund in seiner Hauspostille gegen die Erinnerung an die Verbrechen der Wehrmacht kämpfte. „Sie haben ihr Leben und Sterben dem Vaterlande geweiht. Und wußten nicht, welchen Erben und welcher Erbärmlichkeit“, veröffentlichte Haus & Grund das Gedicht eines ehemaligen Soldaten als „Denkanstoß“.
Warum hat Bürgermeister Henning Scherf (SPD) das nicht zum Anlaß genommen, bei seiner Rede einen Denkanstoß zu geben? Die Enteignung jüdischer Mitbürger während der NS-Zeit ist ein dunkles Kapitel, das ebenfalls zur Vereinsgeschichte gehört. Die Grundbesitzer, die sich heute für ihr Eigentum stark machen, sind damals nicht aufgestanden. Und die Rede eines Bürgermeisters, der nicht auf die Enteignung jüdischer Bürger eingeht und nur davon spricht, daß das „keine Schokoladenzeiten“ waren, wirkt grausam verniedlichend. Kerstin Schneider
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