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Naturschutz gegen Arbeitsplätze?Hollerland ist tabu

■ Bürgerschaft debattierte über Themen der geplatzten Sondersitzung des Senats

„Der Senat soll nicht hinter verschlossenen Türen schachern, sondern mit den parlamentarischen Gremien die Probleme diskutieren, wonach er der Verfassung nach verpflichtet ist“, das forderte gestern in der Aktuellen Stunde der Stadtbürgerschaft der AfB-Fraktionssprecher Andreas Lojewski. Anlaß der parlamentarischen Beratung war die geplatzte Sondersitzung des Senats am vergangenen Donnerstag, auf der die Zustimmung der CDU zu 3,4 Milliarden Mark Hochschul-Investitionen an Zugeständnisse der SPD im Streit um den Naturschutz im Hollerland gekoppelt werden sollte (vgl. taz 7./8.5.).

Für die SPD stellte der Wirtschaftspolitische Sprecher Detmar Leo derweil klar, daß das Naturschutzgebiet Hollerland nicht angetastet werden soll. Für die Erweiterung des Technologieparks Universität gebe es genügend andere Flächen.

Die Umwelt-Senatorin Tine Wischer hat derweil in einer Beschlußvorlage für den Senat darauf hingewiesen, daß die EU ein Urteil des europäischen Gerichtshofes gegen die Bundesrepublik erwirkt hat, weil die Gebiete mit schützenswerten Vögeln nicht vertragsgemäß gemeldet worden sind. Bremen müsse einen Teil der Vertragsstrafe zahlen, wenn die Vogelschutzgebiete nicht bald vollständig angemeldet würde.

Das westlichen Hollerlades, durch das die Trasse von der Autobahnabfahrt nach Linlienthal gedacht ist, war schon 1995 vorab als Vogelschutzgebiet gemeldet worden. Dieses Gebiet steht zudem unter Naturschutz. Wenn die Handelskammer trotz des doppelten Schutz-Status daran festhalte, die Hollerland-Flächen für Gewerbezwecke umwidmen zu wollen, dann sei das „die Aufforderung, sich geltendem EU-Recht zu widersetzen“, steht in der Senatsvorlage der Umwelt-Behörde. Die EU habe klargestellt, daß rechtlich entscheidend sei, ob die zu schützenden Vögel vorkommen oder nicht. Als der Senat der Großen Koalition 1995 um Korrektur einiger Vogelschutzgebiete bat, war deshalb das Hollerland nicht aufgeführt.

Eine Infragestellung der Hollerlandes als schützenswertem Gebiet sei insbesondere deshalb auch riskant, schreibt die Umweltsenatorin, weil dann „nicht mehr mit einer positiven Behandlung des Bremer Begehrens zur Korrektur“ hinsichtlich der anderen Vogelschutz-Flächen zu rechnen sei.

Der Senat hat die Behandlung des brisanten Papiers um eine Woche vertagt. Bis in den Sommer verschoben hat er den Beschluß über die 3,4 Milliarden Hochschul-Investitionen. Als Wissenschafts-Senatorin Bringfriede Kahrs (SPD) dem Parlament ankündigte, sie werde dennoch schon den Vertrag mit den Hochschulen im Lande Bremen über dieses Investitionsprogramm abschließen, schüttelte der Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) demonstrativ den Kopf.

Für Perschau machen die Hochschul-Investitionen, mit denen die Bremer Wissenschafts-Landschaft noch mehr auf Natur- und Ingenieurwissenschaften hin entwickelt werden soll, nur dann einen Sinn, wenn dadurch „eine Menge Arbeitsplätze“ entstehen. Solange die (Naturschutz-)Flächen an der Autobahn dafür nicht verplant seien, sei der Zugriff auf die Kleingärten an der Munte „völlig abwegig“. Perschau über den Naturschutz an der Autobahn: „Autobahnen sind doch nicht dafür da, Naturschutzgebiete zu verbinden". K.W.

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