: Aus Eiskellern werden Kunsträume
Investoren stellen überarbeiteten Entwurf für den Umbau des Schultheiss-Areals am Kreuzberg vor. Nach den Plänen des Architekten Fisher soll Berlinische Galerie vom einstigen Tivoli-Gebäude her erschlossen werden ■ Von Ulrich Clewing
Die Gestaltung des Schultheiss- Geländes an der Kreuzberger Methfesselstraße nimmt konkrete Formen an. Am Mittwoch stellten der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Vertreter der Investoren den städtebaulichen Entwurf vor, dem die künftigen, detaillierteren Planungen zugrunde liegen sollen. Der Masterplan stammt aus dem Büro des in Los Angeles ansässigen Architekten Frederick Fisher. Demnach wird das rund 50.000 Quadratmeter große Areal, auf dem bis 1992 Bier gebraut wurde, in Zukunft eine (zumindest überirdisch) autofreie Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und Kultur erfahren. Für letzteres sollen namentlich die Berlinische Galerie und das Werkbund-Archiv sorgen, die beide Räumlichkeiten auf dem Gelände beziehen möchten.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, daß Franz Schulz von einer kulturpolitischen Entscheidung sprach, deren Ausstrahlung „weit über die Grenzen des Bezirks hinaus“ gehe. Auch lobte der Bürgermeister die Zusammenarbeit zwischen Bezirksamt und Investor. „Wir sind sehr zufrieden, daß wir unsere eigenen Vorstellungen einarbeiten konnten.“ Inbesondere was den Standort der Berlinischen Galerie angehe, sei es dem Bezirk gelungen, wichtige Änderungen gegenüber den bisherigen Plänen durchzusetzen.
Der nun gefundene Kompromiß betrifft vor allem die Eingangssituation des Landesmuseums für Moderne Kunst. Die Berlinische Galerie, deren Verwaltung bereits seit Anfang des Jahres auf dem Schultheiss-Areal untergebracht ist, soll vom sogenannten Tivoli-Gebäude erschlossen werden. Dabei handelt es sich um den ältesten, 1865 erbauten Teil des in seiner Gesamtheit unter Denkmalschutz befindlichen Ensembles. Von dort aus geht es dann zwei Stockwerke tief in die Erde, wo in den ehemaligen Eiskellern der Brauerei Gewölbe in der Größenordnung zwischen 300 und 600 Quadratmetern für die Ausstellungsräume zur Verfügung stehen. Auch die Höhe der Gewölberäume erscheint ideal für museale Zwecke, sie beträgt sechs beziehungsweise zehn Meter.
Ob die Berlinische Galerie und das Werkbund-Archiv allerdings tatsächlich hier ein neues Domizil finden werden, nachdem sie Ende letzten Jahres aus dem Martin- Gropius-Bau ausziehen mußten, ist noch unklar. Ursprünglich war vorgesehen, das Postfuhramt an der Oranienburger Straße im Bezirk Mitte für die Berlinische Galerie herzurichten. Mittlerweile sind die schönen Pläne vom Tisch. Der Umbau des Backsteinbaus in Gehnähe zur Museumsinsel hätte mit rund 100 Millionen Mark in etwa genauso viel gekostet wie das Museum für Gegenwart im Hamburger Bahnhof. Darauf wollte sich der Senat angesichts der angespannten Finanzlage nicht einlassen. Das Angebot, das die Investoren der Schultheiss-Brauerei vorgelegt haben, ist verglichen damit erheblich günstiger. Schlüsselfertig soll das neue Museum „lediglich“ mit 50 Millionen Mark zu Buche schlagen.
Doch auch jetzt läßt sich der Senat Zeit mit einer Entscheidung, vielleicht mehr, als er hat. Für den Fall, daß am 27. und 28. Mai, wenn der Fall vor dem Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses respektive in der Senatsrunde verhandelt wird, kein Votum für den Fisher- Entwurf getroffen würde, kündigte Thomas Hölzel von der Realprojekt Bau- und Boden AG an, nach neuen Nutzungen für die Kellergewölbe zu suchen. Die Leidtragenden wären die beiden Museen. Ihr Mietvertrag endet am 31. März 1999. Bei einem Scheitern der Gespräche müßten sie auch hier ausziehen – wohin, das weiß derzeit niemand.
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