piwik no script img

Die Machtfrage der DKP heißt heute: Wer macht es?

■ Die Deutsche Kommunistische Partei kämpft gehen das ruchlose Kapital, gegen die PDS und gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. Beim 14. Parteitag in Hannover wurde vor allem der Mangel verwaltet

Hannover (taz) – „Pobres“, die armen Menschen! Der Besucher aus Lateinamerika schüttelt den Kopf schon am Freitag morgen: Drei Tage lang ausharren in dieser Schwimmbadarchitektur, in einem dieser Retortenvororte Hannovers, zwischen Hochhäusern, falschem Klinker und Beton. Das Freizeitbildungszentrum Mühlenberg ist in eine Schule integriert, innen ist so ziemlich alles verboten, Rauchen und Hunde sowieso. Die 220 Delegierten und rund 100 Gäste der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sind zum 14. Parteitag versammelt, einig in der Sache, gespalten im Detail.

Sache sind der Kampf gegen das „ruchlose Kapital“, die Notwendigkeit der Veränderung gesellschaftlicher Machtstrukturen, der antifaschistische Widerstand. Detail ist die Gemüsesuppe, der es nicht nur am Fleische, sondern auch an Kartoffeln mangelt. Vorsitzender Heinz Stehr geißelt mit Stentorstimme weltweite Ausbeutung, Armut und Arbeitslosigkeit und kommt vom internationalen Hölzchen auf drei bundesdeutsche Stöckchen: „Kohl muß weg! Die PDS muß im Bundestag bleiben! Mitgliederstärkung der DKP.“ Eine Zweitstimmenkampagne soll den ersten beiden Zielen zum Sieg verhelfen. Diese Unterstützung freut die PDS, weiß Pressesprecher Lothar Geisler, mancherorts nicht gerade sonderlich.

In eigener Sache ist er ein Optimist. Die Zahl der Mitglieder sei in den letzten zwei Jahren immerhin nicht gesunken. Im Osten habe sie sich sogar „auf mehrere hundert verdoppelt“ und liege nun mit leichtem Zuwachs bundesweit bei rund 6.500. Er beobachte eine „langsame Verjüngung“, hin von den antifaschistischen Widerstandskämpfern der überalterten Partei zu den „systemkritischen Jungen, denen die PDS zu sehr auf den Parlamentarismus fixiert ist“.

Einer davon sitzt oben auf der Empore. Er ist gerade aus der PDS ausgetreten: „André Brie ist ein Liberaler.“ Nun diskutiert er über die Zweitstimmenkampagne der DKP: „Das ist mir zu revisionistisch.“ Seine Konsequenz: „Wir gründen die KPD in Hannover neu.“ Unten haben die Delegierten aus den 110 Kreis- und 14 Bezirksorganisationen das Wort und listen unermüdlich ihre kleinen Erfolge in Betrieben und Arbeitsloseninitiativen auf, viel Rechenschaft, manche Klage über verlorene Betriebsratswahlen. „Viele warten auf bessere Zeiten und haben nicht gelernt, ohne Apparat zu arbeiten“, sagt der Münchner Jürgen Köster. „Die Machtfrage stellen“, das heiße heute bei den wenigen „Aktiven“ in der DKP vor allem: „Wer macht es?“

Den GenossInnen knurrt der Magen. Die internationale Solidarität wird zur Überlebensstrategie: Würstchen, Schmalzbrote und Sandkuchen am Nikaragua-Stand. Einige JunggenossInnen entziehen sich der Suppenfrage eurozentristisch zum Italiener und diskutieren dort bei Pizza und Pasta statt des Allgemeinen das Besondere des Parteitags: eine zu lange Nacht mit zu viel Alkohol. Am Nachmittag dann im Saal neuer Mut und wenig Fortune. „Eine Stunde lang hat die Jugend das Wort“, die versucht, SDAJ und Marxistischen Studentenbund wiederaufleben zu lassen.

Das Frage-und-Antwort-Spiel auf dem Podium ist hölzern und aufgesetzt, ein Abbild der Gesamtmisere der Partei. Anne Frohweiler (40) aus Nordrhein-Westfalen hatte sich im überalterten Kreisverband Recklinghausen auf die Suche gemacht: 70 Prozent über 60, keiner unter 30. „Also brauchten wir einen Jugendlichen. Den haben wir nach einem Jahr gefunden.“ Der eine fand dann noch zwei andere. Das ergibt eine SDAJ-Gruppe. Am Sonntag morgen ist von Verjüngung keine Spur. Der alte Parteivorstand, an der Spitze wiederum Dauerredner Stehr, ist auch der neue. Heide Platen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen