: Blinder Fleck in der Forschung
■ Zur Indienstnahme von Mythen durch die Nazis: "Schwarze Sonne" (22.25 Uhr, arte)
Daß Hakenkreuze keine Erfindung irgendeines pfiffigen NS- Grafikers sind, mag mancher schon gehört haben. Vielleicht sogar, daß die Ursprünge des Nazisymbols irgendwie ins kultisch keltische Runenwesen lappen, verwandte Formen aber selbst in der Mystik Indiens auftauchen. Aber wie das alles nun genau..., und wie da was womit... Nö, weiß man doch eher weniger.
Kein Zufall, behauptet Rüdiger Sünner in seiner Dokumentation. Schließlich habe die deutsche Wissenschaft in germanisch-keltischer Mythenforschung so etwas wie einen „blinden Fleck“. Aus der Befürchtung, schon durch schlichtes Interesse von der Öffentlichkeit als „ewig Gestrige“ verdächtigt zu werden, ließen die Gelehrten das Thema nach '45 lieber gleich rechts liegen. Was sich, so Sünner, rächen könnte. Schließlich erlaubt dieses Stück unbewältigte Vergangenheit der rechten Szene auch heute wieder, alles, was mit mythisch-germanischer Tradition zusammenhängt, unwidersprochen für sich zu reklamieren.
Die allgemeine Unwissenheit in dieser Angelegenheit zu mindern, erteilt die Dokumentation nun qualifizierten Nachhilfeunterricht in Sachen „Mythologische Ursprünge des Nationalsozialismus“. (So der Untertitel). In einer Art Protokoll der eigenen Recherche trägt Sünner aus Archiven und Bibliotheken zusammen, was zum Verständnis jener Mythen und ihrer Indienstnahme durch die Nazis hilfreich ist. Eine spannende und fraglos verdienstvolle Fleißarbeit, die es einem aber auch nicht eben leichtmacht, über 92 Minuten bei der Stange zu bleiben. Nicht zuletzt, weil die unzähligen abfotografierten Buchseiten (anders als im Kino, wo der Film in mehreren Städten bereits zusehen war) schon bei größeren Flimmerkisten harte Kost sind und auf kleineren Bildschirmen dann beim besten Willen nicht mehr zu entziffern sind.
Lediglich bei den Externsteinen im Lipperland, von den Neonazis wieder als alte germanische Kultstätte „reklamiert“, kommt etwas Leben in den Film. Doch echte Faschos lassen sich auch hier nicht blicken (sie sollen da von Bielefelder Autonomen vor ein paar Jahren Prügel bezogen haben und seitdem seltener da Andacht halten). So hocken da lediglich ein paar drollige Späthippies, die zur Sonnwendfeier antiken Instrumenten krude Klänge entlocken, sich die Birne mit Met aus Büffelhörnern zuschütten und hausgemachte Weisheiten aus dem Dunstkreis von Esoterik und Schwachsinn lallen. Was immerhin lustig kommt. Reinhard Lüke
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