Auf Du und Du mit der Gesundheit: 3.Säule PatientInnen
■ Die Gesundheitsreform benachteiligt besonders Frauen
Daß die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre „uns überrollt haben“ – so Karl Nagel, der Vertreter des Bremer Verbands der Angestellten-Krankenkassen – darüber waren sich am Montag abend Podium und Publikum im Kultursaal der Angestelltenkammer einig. Die Auffassung des Krankenkassen-Mannes, daß Frauen und Männer gleichermaßen darunter zu leiden hätten, blieb an diesem Diskussionsabend zum Thema „Gesundheitsreform frauen(un)gerecht“ jedoch singulär.
Einig waren sich nicht nur Bremens Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe und die Frauenreferentin der Angestelltenkammer, Iris Bleyer-Rex, daß Frauen die Folgen der Reform in weit stärkerem Maße zu tragen haben als Männer – und zwar nicht nur, weil Frauen anders krank sind als Männer.
Beispiele dafür gab es viele im Verlauf der Diskussion. Insbesondere die Abschaffung einer gesetzlich festgeschriebenen „Gesundheitsförderung“ – die unter anderem auf Kuren abzielte – wurde genannt: Diese wurden in neun von zehn Fällen von Frauen in Anspruch genommen wurden. „Heute heißt das Krankheitsverhütung – darin zeigt sich die ganze Dimension des Paradigmenwechsels im Gesundheitswesen“, so Ulrike Hauffe, die mit ihren Beiträgen dafür Sorge trug, daß die Diskussion eine politische blieb: „Die Frauen in Tenever zum Beispiel haben bis zur Umwidmung dieses Gesetzesanspruchs paßgerecht damit gearbeitet.“ Heute hingegen werde mit dem Paragraphen 20 vor allem Rehabilitierung betrieben.
Auf diese Weise, so war sich das Podium einig, gingen Ansätze einer ganzheitlich orientierten Medizin den Bach runter. Nicht mehr die Gesellschaft, sprich: die Frauen mit ihrer lebensweltlichen Erfahrung mit den Zusammenhängen von Alltag, Gesundheit, Pflege, sondern die ÄrztInnen würden inzwischen Selbsthilfe „verordnen“. Nachträglich, statt präventiv. Beispiele dafür gab Barbara Fischer, Frauenärztin und Mitglied des Bremer Arbeitskreises Frauengesundheit.
So sei schon jetzt vorauszusehen, daß die Pflegeversicherung zu einer Mehrbelastung von pflegenden oder pflegebegleitenden Hausfrauen führen wird. Doch eine Vorbereitung darauf gebe es nicht – die zu erwartenden „Burn-out-Effekte“ hingegen könnten sehr wohl durch Prävention gemildert werden.
Eine Ergänzung der zwei Gesundheits-Säulen Ärzteschaft und Krankenkassen durch die dritte Säule der PatientInnen war denn auch die politische Forderung, die sowohl von der Landesfrauenbeauftragten als auch von Iris Bleyer-Rex, der Frauenreferentin in der Angestellten-kammer, formuliert wurden. Rein in die Selbstverwaltungsgremien der Krankenkassen, war der Aufruf von Ulrike Hauffe, die Karl Nagels Angebot zur Zusammenarbeit damit offensiv aufgriff. Dieser plädierte vor allem in Richtung der Kassenärztlichen Vereinigung für eine transparentere Quali-tätssicherung, denn „so viel Macht haben die Krankenkassen leider nicht.“ ritz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen